Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
Vom Netzwerk:
in die Wellen am Strand von New Jersey trug und sagte: »Jetzt kommt eine richtig große! « Ich erinnerte mich an mein freudiges und erschrecktes Quietschen als Fünfjähriger und dachte, dass ich das auch eines Tages gern mit einem Kind erleben würde, dass ich auch diesen Ausdruck auf seinem Gesicht sehen wollte. Aber mir war klar, dass ich nicht die Sorte Mensch bin, die Kinder haben sollte. Kinder mochten mich gern - zum Beispiel meine Nichte und mein Neffe -, aber das ist einfach, vor allem, wenn man der nachsichtige »böse Onkel« ist.
    Ich hatte nie in einem Umfeld gelebt, das sich für ein Kind eignete - und ich hatte mich nie für ausreichend fit und gesund gehalten. Gelegentlich dachte ich an eine Vaterschaft, musterte mich im Spiegel und dachte: »Der Typ will vielleicht ein Kind, aber er ist einfach nicht dafür geeignet.« Außerdem war ich den Großteil meines Lebens viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um mich um irgendjemanden zu kümmern - was nach der Veröffentlichung von Geständnisse eines Küchenchefs nur noch schlimmer wurde.
    Ich weiß nicht genau, wann sich mir die Möglichkeit eröffnete, das zu ändern, aber ich schätze, es war irgendwann, nachdem ich jeden erdenklichen Fehler gemacht, alles vermasselt hatte, was ein Mann nur vermasseln kann, und erkannt hatte, dass ich genug Kokain gehabt hatte - ich konnte so viel nehmen, wie ich wollte, es machte mich nicht glücklicher. Ein nacktes, eingeöltes Supermodel machte mein Leben auch nicht besser - und auch kein Sportwagen. Es war irgendwann danach.

    Die Erkenntnis ereilte mich in meiner winzigen Wohnung im vierten Stock ohne Fahrstuhl an der Ninth Avenue. Über dem Restaurant Manganaro’s Heroboy - nur ein Gebäude weiter vom Esposito Pork Shop. Ich lag mit meiner damaligen Freundin im Bett - jugendfrei formuliert könnte man es als Löffelstellung beschreiben - und ertappte mich bei dem Gedanken: »Ich könnte mit dieser Frau ein Kind machen. Verdammt, ich wäre nicht nur glücklich, wenn ich mit dieser Frau ein Kind machen würde, ich glaube … ich bin mir ziemlich sicher … ich wäre sogar ein richtig guter Vater.«
    Wir redeten darüber. Und Ottavia - so hieß/heißt sie - fand meine Idee ebenfalls hervorragend, allerdings beurteilte sie meine Zeugungsfähigkeit eher pessimistisch.
    »Baby«, sagte sie (man stelle sich hier einen sehr charmanten italienischen Akzent vor - in Tonfall und Mimik einem sehr beschäftigten italienischen Restaurantleiter nicht unähnlich), »du bist alt. Deine Sperma … ieessst … tot.«
    Da wir von einem längeren Projekt ausgingen, planten wir, uns an die Arbeit zu machen, sobald ich von den Aufnahmen für meine nächste Sendung zurück war. Aus Beirut.
    Über meine Erlebnisse in Beirut habe ich schon an anderer Stelle berichtet. Kurz und gut: Mein Kamerateam und ich gerieten mitten in einen Krieg. Etwa eine Woche lang verschanzten wir uns in einem Hotel, beobachteten und hörten die Bomben und spürten, wie sie die Stockwerke beben ließen. Nach dramatischem Hin und Her wurden wir mit einem Landungsboot der amerikanischen Marine evakuiert und zunächst zu einem Frachtschiff im Mittelmeer und dann nach Zypern gebracht.

    Mein Sender hatte überaus großzügig einen Privatjet gechartert, mit dem das Team und ich zurück nach Hause flogen. Von meinen Mitarbeitern war noch nie jemand mit einem Privatjet geflogen. Wir schliefen, spielten Karten und aßen Omeletts, die die Stewardess für uns briet, bis wir an einem verregneten grauen Morgen in Teterboro, New Jersey, landeten. Wir gingen zu Fuß über das Rollfeld zu einem kleinen, privaten Terminal, wo uns Pat Younge, der Chef des Senders, und Ottavia sowie die Frauen und Familienangehörigen der anderen begrüßten. Es war, untertrieben gesagt, eine emotionale Heimkehr mit vielen Umarmungen und Tränen.
    Ich fuhr mit Ottavia zurück in meine schäbige Wohnung. Dort zeugten wir ein Kind. Gibt wohl nichts Besseres als acht Tage voller Angst und Verzweiflung, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ein paar Wochen später fuhren wir mit dem Auto vom Flughafen Los Angeles in die Stadt, wo ich als Jurymitglied bei Top Chef auftreten sollte, als uns Ottavias Arzt die gute Nachricht telefonisch übermittelte. Es gibt Fotos von mir, wie ich mit idiotischem Grinsen auf dem Bett unseres Hotelzimmers im Chateau Marmont sitze und fünf verschiedene Schwangerschaftstests aus der Drogerie hochhalte (alle positiv). Seltsamerweise hatte ich keine Angst.

Weitere Kostenlose Bücher