Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Weder damals noch heute hatte ich irgendwelche Bedenken. Nie kam mir der Gedanke: »Worauf lasse ich mich da ein?«
Ich war der Musterschüler im Geburtsvorbereitungskurs nach Lamaze. Falls Ihnen je im Supermarkt die Fruchtblase platzen und ich in der Nähe sein sollte, bin ich Ihr Mann. Ich weiß genau, was zu tun ist.
Auf meine wilden Zeiten blicke ich ohne großes Bedauern zurück. Die Verantwortung als Ehemann und Vater erfordert natürlich gewisse Verhaltensänderungen. Aber mein Timing hätte nicht besser sein können. Ich verwandelte mich - wenn auch etwas unbeholfen - genau in dem Moment in einen angesehenen Bürger, als es selbst für die Semiprominenz ungemütlich auf den Straßen wurde. Heute sind Twitter und die vielen Websites und Blogs, die sich mit Essen, Restaurants und Köchen beschäftigen, allgegenwärtig, daher bleibt niemand mehr unbehelligt, der eine Kochsendung im Fernsehen hat - nicht einmal ich. Man muss gar nicht sonderlich berühmt sein, um mit einem verschwommenen Foto bei DumbAssCelebrities.com aufzutauchen. Aber kein Vater möchte, dass die kleinen Klassenkameraden der Tochter lesen, wie ihr Daddy stockbesoffen morgens um zwei Uhr in einer Bar, in der man auch Köche als Gäste duldet, Schnaps aus dem Bauchnabel einer stämmigen, spärlich bekleideten Kellnerin geschlürft hat - was vor ein paar Jahren durchaus möglich gewesen wäre. In einer Zeit, in der ein Passant mit dem Handy mal kurz ein Foto davon machen kann, wie man mit Anal Rampage 2 und MilfBusters unterm Arm aus dem Sexshop kommt, um es dann in Echtzeit zu verschicken, ist man gut beraten, die Lederjacke gegen ein Paar Hosen von Dockers einzutauschen.
Mir gefällt der Spruch »Niemand liebt einen schmutzigen alten Mann oder einen sauberen kleinen Jungen«. Als Kind war ich leider überaus sauber - dank einer Mutter mit Putzfimmel. Ich werde mein Bestes geben, um wenigstens nicht zum schmutzigen alten Mann zu werden. Wie gesagt, mein Timing war gut, auch ohne die Vaterschaft.
Alles wegen eines kleinen Mädchens. Mir ist wohl bewusst, wie klein sie noch ist (wie könnte es auch anders sein). Sie ist ein unbeschriebenes Blatt, ihr Gehirn ist noch eine weiche Masse, in die sich jeder scharfe Tonfall, jeder Fauxpas und jede Unachtsamkeit unauslöschlich einprägen. Dass sie ein Mädchen ist, erfordert, glaube ich, zusätzliche Anstrengungen. Daddy war vielleicht früher in gewissen Phasen seines Lebens ein Schwein, aber Daddy will auf gar keinen Fall, dass er wie ein Schwein wirkt. Das kann man gar nicht genug betonen. Als älterer von zwei Jungen kann ich mir nicht einmal vorstellen, wie es für ein kleines Mädchen sein muss, wenn der eigene Vater einer Frau hinterhersabbert. Und aus dem kleinen Mädchen wird bald selbst eine junge Frau. Daran denke ich jeden Tag.
Ich denke, ich werde die Kleine eine Zeit lang nach Strich und Faden verwöhnen und sie in einen Taekwondo-Kurs schicken, sobald sie vier ist. Ihr erster Tag in der zweiten Klasse, und der kleine Timmy in der Reihe hinter ihr zieht sie an den Haaren? Sie wird ihm den Ellbogen in den Brustkorb rammen. Meine kleine Tochter wächst vielleicht mit vielen Problemen auf: Verwöhnt und mit unrealistischen Erwartungen von der Welt, vielleicht weiß sie auch nicht so recht, wo ihre kulturellen Wurzeln liegen (weil wir so viel reisen), und beim Essen ist sie sicherlich wählerisch, wenn man bedenkt, was sie schon alles kosten durfte, außerdem wird sie einen betagten und vermutlich gebrechlichen Vater haben, wenn sie sechzehn ist. Aber sie wird nie Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl haben.
Vor allem wird sie nie Bestätigung von irgendeinem rücksichtslosen Arschloch brauchen. Sie kann - und wird es wohl
auch - ihre Zeit mit so vielen Arschlöchern verbringen, wie sie möchte. So etwas können Väter nie kontrollieren, da bin ich mir sicher, da dürfen sie sich gar keine Illusionen machen. Ich kann nur hoffen, dass sie gute Gründe hat, ihre Zeit mit Idioten zu verbringen - etwa, weil Idioten sie amüsieren. Wichtig ist jedoch, dass sie keine Idioten braucht, um sich selbst besser zu fühlen.
Das hoffe ich.
John F. Kennedy hat einmal etwas entsetzlich Wahres gesagt - ein Satz, der garantiert allen Eltern das Blut in den Adern gefrieren lässt: »Ein Kind zu haben bedeutet, dem Schicksal eine Geisel zu geben.«
Ich wünschte, ich hätte das nie gelesen. Ich kann nur hoffen, dass sie glücklich ist - ich wäre auch zufrieden, wenn sie irgendwie verschroben wäre,
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