Ein bisschen Kowalski gibt es nicht (German Edition)
Vaters. Der regte sich sonst auf. Er hatte sie auch dazu überredet, ihre Kreditkarte zu behalten. Die bot allerdings keinen großen finanziellen Spielraum, und Beth nutzte sie ungefähr so häufig wie das Telefon. Ihre Eltern hofften immer noch, dass sie irgendwann mal erwachsen werden und sich eine richtige Wohnung mieten oder – noch besser – kaufen würde. Sie begriffen nicht, dass sie mit ihrem Auszug bei ihnen tatsächlich erwachsen geworden war. Sie hatte weit wegziehen müssen, um sich von ihnen zu lösen. Anders hätte das nie geklappt.
Als es schließlich wirklich absolut nichts mehr in der Wohnung zu tun gab, nahm Beth sich die Schachtel mit dem Schwangerschaftstest und las die Gebrauchsanweisung. Und dann … klingelte das Telefon. Dieses verdammteDing! Obwohl die Nummer des Anrufers nicht angezeigt wurde, wusste sie auch so, dass es nur ihr Vater oder ihre Chefin sein konnten. „Hallo?“
„Willst du eigentlich über die Feiertage nach Hause kommen?“
Ihre Mutter hielt sich nie mit Begrüßungsfloskeln auf, sondern plapperte immer sofort drauflos.
„Weiß ich noch nicht.“
Bis zum Testergebnis konnte sie überhaupt keine Pläne machen. Normalerweise fuhr sie zweimal im Jahr mit dem Bus nach Florida, um ihre Eltern zu besuchen. Weihnachten verbrachte sie üblicherweise bei ihnen.
„Adelle und Bob haben uns gefragt, ob wir mit ihnen die Kreuzfahrt machen wollen, weil die Donaldsons kurzfristig abgesagt haben. Die Schiffspassagen könnten sie auf uns übertragen, aber es geht schon in sechs Wochen los. Sechs! Kannst du das glauben? Hat man so was schon gehört?“
„Und wer übernimmt dann deine Tanzkurse? Und deinen Strickunterricht? Und die hundert anderen Kurse, die du gibst?“
Shelly Hansen seufzte. Das tat sie oft und gern. „Dein Vater ist der Meinung, ich sollte mal etwas kürzertreten. Vielleicht hat er recht, wir werden schließlich auch nicht jünger.“
„Du bist erst zweiundfünfzig, Mom.“ Und genau in dem Moment traf Beth die Erkenntnis – sie war sechsundzwanzig Jahre alt. Genauso alt wie ihre Mutter bei ihrer Geburt. Beth war das einzige noch lebende Kind ihrer Eltern. „Scheiße.“
„Was ist denn? Stimmt was nicht?“
„Nein. Ich … hab mir nur den Zeh gestoßen.“ Am liebsten hätte sie sich jetzt sofort bei ihrer Mutter ausgeweint.
Aber sie kannte das Testergebnis ja noch gar nicht, alsowar es verfrüht, ihrer Mom irgendwelche Hoffnungen zu machen. Obwohl ihre Eltern enttäuscht gewesen waren, als sie ihr Wirtschaftsstudium abgebrochen hatte, um durch halb Amerika zu ziehen, liebten sie sie doch bedingungslos. Und bei der Aussicht auf ein Enkelkind wären sie vor Freude bestimmt durchgedreht. Außerdem wäre das etwas gewesen, was Beth in ihren Augen gezwungen hätte, nun endlich sesshaft zu werden.
Ansonsten wollte Beth natürlich auch unbedingt verhindern, dass die beiden sofort ins Flugzeug stiegen und bei ihr auftauchten. Ihre Mutter hatte fünf Fehlgeburten gehabt, und Beth war ihr einziges Kind. Deshalb hatten ihre Eltern sie mit ihrer Liebe fast erstickt und schrecklich geklammert. So oft wie Beth als Kind umarmt und gedrückt worden war, grenzte es an ein Wunder, dass sie nicht an Sauerstoffmangel gestorben war.
Und später, als sie dann schon ein Teenager war, hatten ihre Eltern sie auf Schritt und Tritt bewacht. „Wo gehst du hin? Wann kommst du nach Hause?“, waren typische Fragen gewesen. Sie hatte sich stets kontrolliert gefühlt. Während des Studiums war es sogar noch schlimmer geworden. Deshalb hatte sie eines Tages ihre Tasche gepackt und war abgehauen. Nicht um den Kontakt zu ihren dominanten Eltern abzubrechen, sondern weil sie verhindern wollte, dass es überhaupt so weit kam.
„Also, wegen dieser Kreuzfahrt …“
„Die solltet ihr auf jeden Fall machen, Mom. Ich muss Weihnachten bestimmt arbeiten, da findet ja eine große Feier nach der anderen statt.“
„Bist du sicher? Dein Vater und ich können das auch auf später verschieben.“
„Dann wird das eh nie was. Nein, nein, macht das jetzt zusammen mit Bob und Adelle, wo sich die Gelegenheitbietet. Sonst langweilt ihr beide euch nur allein über die Feiertage. Und vergesst ja nicht, mir Postkarten zu schicken.“
„Aber bitte zieh nicht um, während wir unterwegs sind, okay?“
Beth musste lachen, woraufhin ihre Mutter wieder leidend seufzte. „Nein, Mom, ich verspreche dir, dass ich mich nicht vom Fleck bewege. Mach dir also darüber keine Sorgen, ja?“
Beths Vater
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