Ein bisschen schwanger
Schmerz kaum gespürt, jetzt sah ich es erst: Es war ein riesiger Fleck.
Jemand klopfte zweimal kräftig an die Badezimmertür.
Ich erschrak und schüttelte im nächsten Moment den Kopf über mich selbst: Es waren doch nur meine Eltern!
»Hallo! Bitte ein bisschen Beeilung!«, hörte ich die Stimme meines Vaters vor der Tür. »Ich habe einen Termin, Linda, ich kann nicht warten, bis du mit deiner üblichen Badezimmer-Meditation fertig bist!«
»Ja, ja!«
Mürrisch nahm ich mein Parfum und wollte mich gerade damit einsprühen, als mir einfiel, dass Patrick mir die Flasche zum Geburtstag geschenkt hatte. Der Duft erinnerte mich auch an ihn. Es war Patricks Lieblingsduft und ab heute ganz sicher nicht mehr meiner.
Ich öffnete die Flasche und schüttete den Inhalt komplett ins Klo. Das war zwar nur eine kleine Revanche für die Geschichte mit den Fotos und Geschenken, die er in die Emscher geworfen hatte, aber für den Augenblick verschaffte mir diese Geste Genugtuung.
Mein Vater rümpfte die Nase, als ich ihm die Tür öffnete. »Was hast du denn gemacht? Man kriegt ja kaum noch Luft!«
Ich zeigte ihm den leeren Flakon. »Schaffst du’s, die Flasche von meinem Balkon aus in die Emscher zu werfen?«
Er runzelte die Stirn. »Liebeskummer?«
»Wetten, du schaffst es nicht!«
»Wetten doch!«, rief mein Vater sofort und nahm mir die Flasche aus der Hand. Zwei Minuten später landete sie irgendwo auf dem Niemandsland zwischen Garten und Kanal.
»Na ja, beinahe«, murmelte er und strich mir mit der Hand zärtlich über den Kopf. »Übrigens habe ich eine Überraschung für dich. Ich habe mich gestern um einen Aushilfsjob im Tierpark für dich gekümmert. Wenn du immer noch Käfige schrubben und Futtertröge füllen willst, um auf andere Gedanken zu kommen, hast du jetzt die Gelegenheit.«
»Oh super, Papa, dafür verzeihe ich dir glatt, dass du mich immer aus dem Bad jagst.«
Er lächelte, wiederholte seine zärtliche Geste, drückte mich sogar an sich. »Ich will vor allem, dass das ganze schreckliche Theater mit Patrick endlich zu Ende ist«, sagte er.
»Das will ich auch«, flüsterte ich und ärgerte mich über meine leise Stimme. Die hatte ich doch jetzt gar nicht mehr nötig! »Ich freu mich drauf!«, sagte ich deshalb laut, und als mein Vater gegangen war, trat ich noch einmal auf den Balkon, holte tief Luft, flüsterte: »Jetzt!«, und stieß einen richtig kräftigen Freudenschrei aus. »Und wenn der Fall der Fälle doch mal eintritt und ein Tiger ausbricht, Linda, brüllst du einfach ganz laut!«
Weich
8. September, 10 Uhr
Mit einem weichen Klicken schloss sich das Gittertor hinter dem Wagen meines Vaters, weich war der Ledersessel in seinem Büro, in dem ich versank, weich die Hand seines Chefs, der sich freute, »Maschewskis große Tochter endlich mal wiederzusehen«, und weich waren die Schnauzen der Kühe, die ich vorsichtig berührte, um sie mit mir vertraut zu machen.
Hier im Minibauernhof des Tierparks, zwischen Milchkühen, Ziegen, Zwergeseln und Hängebauchschweinen, fühlte ich mich vom ersten Augenblick an wohl. Patrick blieb außerhalb der Umzäunung, der Zoo öffnete wochentags nie vor zehn Uhr und dann kamen für gewöhnlich auch keine liebeskranken jungen Männer, sondern Kindergartengruppen und alte Leute. Der Chef meines Vaters war offensichtlich gern bereit, meinem Vater den Gefallen zu tun und mich für ein Taschengeld mitarbeiten zu lassen.
Die Tiere schloss ich auf den ersten Blick ins Herz. Ich ging herum, schaute, streichelte und drehte mich mit ausgebreiteten Armen im Kreis, als ich mir vor Augen führte, dass Patrick nichts von meiner Tätigkeit hier wusste und auch niemand ihm etwas darüber sagen würde, einfach deshalb, weil nur meine Eltern eingeweiht waren.
»Ich möchte nicht, dass meine Freunde wissen, wo ich bin, nicht einmal Melanie darf etwas erfahren«, hatte ich am Frühstückstisch gebeten.
Meine Mutter hatte erstaunt von ihrem Frühstücksei aufgesehen, mein Vater sich geräuspert und seine Zeitung ein Stück höher gehalten, so dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte.
»Wegen Patrick?«, hatte meine Mutter überflüssigerweise gefragt und zu den Blumen im Wohnzimmer hinübergeschielt, während mein Vater sich zum zweiten Mal räusperte. »Ja, meinst du denn, er läuft dir immer noch nach?«
»Annette!«, hatte mein Vater sie angeraunzt. »Lass doch das Thema einmal ruhen. Ich will und kann es nicht mehr hören! Wir sagen nichts und damit ist es
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