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Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Titel: Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda Curnyn
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Herzattacke.
    „Glaubst du, dass das gesund ist?“ fragte ich. Ich befürchtete, dass Nonnie, die erst vor drei Jahren einen Herzkatheter bekommen hatte, nicht überstehen würde, was auch immer der gute alte Artie Matarrazzo mit ihr anstellte.
    „Gesund! Es ist absolut empörend!“
    Noch viel empörender war, dass meine Mutter mein Schlafzimmer in einen regelrechten Schrein für meinen Vater verwandelt hatte. Der Schrank war mit seinen alten Kleidern voll gestopft, obwohl wir sie gebeten hatten, sie wegzuschmeißen. Und überall waren Fotos von ihm – mindestens ein Dutzend hatte sie an dem Jesusbild festgesteckt, das neben der Tür hing. Wobei von uns allen Fotos an diesem farbenfrohen Porträt hingen. Meine Mutter glaubte, dass uns das einen Extraschutz von Gott einbrachte, wenn unsere Bilder in der Nähe des Ölbildes waren, das sie im
Kings Plaza
gekauft hatte.
    Ich betrachtete es, während meine Mutter mein Bett herunterklappte. (Klar hätte ich das selbst machen können, aber ich wollte meiner Mutter das Gefühl lassen, das Kind zu sein, für das sie mich noch immer hielt.) Da waren Bilder von mir und Sonny und Joey als Kinder. Sonny und Vanessa an ihrem Hochzeitstag. Joey und, ja auch Miranda, standen stolz mit Timmy und Tracy vor einem Weihnachtsbaum. Grace war natürlich da, weil Ma Grace immer als Teil der Familie betrachtet hatte. Das Foto, das damals während der Junior Highschool gemacht worden war, zeigte Grace und mich mit identischen Haltertops, die Nonnie uns bei
Alexander’s
gekauft hatte (Grace begann natürlich bereits, das Top mit ihrer Oberweite auszufüllen). Wir lächelten so überheblich, als ob uns die Welt gehörte. Und sie gehörte uns damals auch. Dann fiel mein Blick auf ein Foto von Justin, wie er am Küchentisch meiner Mutter saß, einen halb leer gegessenen Teller Pasta vor sich und ein strahlendes Lächeln auf den Lippen.
    Kirk fehlte, wie ich bemerkte.
    „Sag mal, Ma, wie kommt es, dass Kirk nicht dabei ist?“ fragte ich.
    „Hm?“ Sie trat hinter mich und studierte die Fotos. „Das muss heruntergefallen sein“, sagte sie, doch ihr Ton sprach eher dafür, dass sie es absichtlich entfernt hatte. Und ich wusste auch genau, wann – nämlich kurz nachdem sie erfahren hatte, dass Kirk ohne mich nach Hause gefahren war. Offensichtlich hatte
sie
ihm das nicht verziehen. Ich fragte mich, was wohl geschehen müsste, damit sie endlich einsah, dass wir füreinander bestimmt waren. Eine Hochzeit? Vielleicht reichte nicht mal das.
    „Ach, sieh ihn dir an“, unterbrach meine Mutter meine Gedanken. Sie berührte ein wenig ehrfürchtig ein Bild von sich und meinem Vater, auf dem sie beide etwa Mitte zwanzig waren. „Er war so attraktiv, dein Vater, möge seine Seele in Frieden ruhen.“
    „Ja, das war er.“ Ich betrachtete seine blitzenden dunklen Augen und sein Hollywoodlächeln. Mein Vater hätte Schauspieler werden können. Ich versuchte, ihn ganz neutral zu sehen, wie jemanden, den man nicht kannte – eine Fremde, die ihn auf der Leinwand sieht. Er war nun seit vier Jahren tot – es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Er war mir so fremd. Hatte ich ihn jemals wirklich gekannt? Ich dachte an all die Gespräche, die wir nie geführt hatten.
    „Ich hatte Glück, einen Mann wie ihn lieben zu dürfen.“ Gedankenverloren legte sie einen Finger auf ihre Lippen und drehte sich dann zu mir um. Ihre Augen sahen mich fragend an. „Du musst einen solchen Mann lieben, Angela. Einen Mann, der dich so liebt, wie mich dein Vater liebte. Verstehst du? Du darfst dich nicht mit weniger zufrieden geben, verstehst du?“ Sie packte mich an der Schulter, als ob sie mich schütteln wollte.
    „Au!“ Ich wand mich aus ihrem schmerzhaften Griff. „Du tust mir weh!“
    „Ist ja gut, ist ja gut!“ Sie riss mich in eine Umarmung, die noch schmerzhafter war, und rannte dann aus dem Zimmer.
    Und ich stand vor dem Jesusbild, starrte auf das vergilbte Foto eines Mannes, den ich nie wirklich gekannt hatte, und der die einzige Frau, die er je geliebt hatte, im Arm hielt. Ich fragte mich, ob eine solche Liebe wirklich existierte, außerhalb einer alten Fotografie und den kummererfüllten Gedanken meiner Mutter.
    Nach einem viel zu langen Arbeitstag bei
Lee and Laurie
kam ich am nächsten Tag nach Hause und fühlte mich schlechter als schlecht. Natürlich war ich zu spät gekommen, nachdem ich den ganzen Weg von Brooklyn nach Manhattan hatte zurücklegen müssen. Und das auch noch mit einem Kater. Michelle

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