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Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Titel: Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda Curnyn
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schwierig?“
    „Nein, so habe ich das nicht gemeint.“ Er studierte mit ganz neuem Interesse seine Kamera.
    „Was hast du dann gemeint?“
    Er betrachtete mich gedankenvoll. „Ich meinte … komplex. So wie ein alter Wein.“
    Toll. Jetzt war ich also alt. „Ach so, Männer sollten nur mit Frauen unter dreißig ausgehen, oder?“ fragte ich. Lauren war gerade mal fünfundzwanzig. Was wollte Justin überhaupt von einer Fünfundzwanzigjährigen? Er war ein Jahr älter als ich!
    „Vergiss es.“ Mit der Weisheit eines Mannes, der wusste, dass es sinnlos war, ein solches Gespräch mit einer Frau zu führen – zumal mit einer Frau, mit der er zusammenwohnte –, deutete er plötzlich in die Ferne und erklärte: „Sieh mal, Angie. Das ist ein herrlicher Eingang. Siehst du das? Komm schon.“ Er eilte voraus, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
    „Das muss ein Gebäude von Stanford White sein“, sagte er. Das war sein Lieblingsarchitekt (natürlich auch ein New Yorker). Er hob die Kamera und filmte den Eingang mit dem kunstvollen Bogen.
    Während ich vor dem Gebäude stand und die Erhabenheit der Architektur in mir aufnahm, verschwanden plötzlich all meine Ängste. Was für Probleme hatte ich angesichts dieser Größe?
    Ich beobachtete Justin, wie er alles mit seiner Kamera aufnahm. Einen Augenblick dachte ich sogar, er hätte mich vergessen, doch dann machte er einen Schritt zurück, senkte die Kamera und drehte sich zu mir. Sein Gesicht wirkte irgendwie traurig.
    „Weißt du, was für ein Tag heute ist?“ fragte er.
    „Nein Justin, ich weiß nicht, was heute für ein Tag ist. Und ich möchte auch um Gottes willen nicht schwierig sein“, antwortete ich, noch immer sauer.
    „Der vierundzwanzigste August.“
    „Klar, und wieso …“, begann ich, dann fiel es mir plötzlich ein. Und ich schämte mich dafür, dass ich es vergessen hatte. Justins Eltern waren heute vor zwanzig Jahren gestorben.
    „O Justin, es tut mir Leid, ich …“
    Doch er hörte sich meine lahme Entschuldigung gar nicht erst an. Ich war in letzter Zeit so mit mir selbst beschäftigt gewesen, dass ich diesen Tag, dem Justin jedes Jahr gedachte, völlig vergessen hatte. Und normalerweise verbrachten wir ihn zusammen. Ich war in letzter Zeit wirklich keine sonderlich gute Freundin gewesen …
    „Sie haben sich hier kennen gelernt, weißt du? In New York. Irgendwo in dieser Gegend, glaube ich. Habe ich dir das je erzählt?“
    „Ja, hast du.“ Ich schielte zu ihm hinauf und sah den Kummer, mit dem er kämpfte. Ich kannte dieses Gefühl gut, nachdem ich selbst meinen Vater verloren hatte. Aber ich hatte mehr Glück gehabt, als Justin. Ich hatte meinen Vater viel länger erlebt, während Justin beide Eltern bereits mit zwölf verloren hatte. Er war noch ein Kind gewesen. Vermutlich sah er damals nicht viel anders aus als jetzt, wie er mit einer Mischung aus Hoffnung und herzergreifender Trauer auf mich hinunterschaute.
    „Ich hoffe, das klingt jetzt nicht irgendwie kitschig, aber …“, begann er, lachte und schaute weg. „Aber manchmal stelle ich mir vor, das alles für sie aufzuzeichnen, verstehst du? Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie das alles nie mehr sehen werden. Dieses Gebäude. Diesen Baum. Nichts.“
    Und du wirst sie nie mehr sehen, dachte ich. Das war das Schlimmste. Zu wissen, dass ich nie mehr wieder sein so seltenes Lächeln sehen würde. Ihm nie mehr sagen konnte, dass ich ihn liebte, mehr, als er vielleicht jemals geahnt hatte …
    Als ich Justin wieder anblickte, sah ich das alles. Die Einsamkeit, die nie mehr weggehen würde.
    Vielleicht war es einfach so. Vielleicht war es unser Schicksal, egal, wie viele Menschen um uns sind, und egal, mit wem wir schließlich unser Leben verbringen, sich so zu fühlen.
    Einsam.

13. KAPITEL
    B is dass der Tod (in 10000 Metern) uns scheidet.
    „Du nimmst dieses riesige Ding mit?“ fragte Kirk, als er am Freitagabend vor unserer Abreise seine Wohnungstür öffnete. Ich stand schwitzend und ziemlich erledigt vor ihm, nachdem ich meinen gigantischen Koffer hierher geschleppt hatte. „Ich dachte, wir nehmen nur Handgepäck mit.“ Er zeigte auf seinen kompakten Matchbeutel, der im Flur stand und auf unsere Abreise wartete.
    „In meine Tasche hat nicht alles gepasst“, behauptete ich. Dabei hatte ich sie nicht einmal aus dem Schrank genommen, weil mir sowieso klar war, dass die Kleiderauswahl, die ich für meine Jungfernfahrt nach Newton für dringend

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