Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen
seinem Schlafzimmer laufen ließ. Doch als ich meine Klamotten für das große Wochenende zusammengesucht hatte, hatte ich mich plötzlich gefragt, worüber ich eigentlich mit Kirks Familie sprechen sollte. Ich würde das Wochenende mit ganz schön klugen Leuten verbringen. Und ziemlich dumm aussehen, wenn das einzige aktuelle Ereignis, über das ich mit ihnen reden konnte, die Auswirkung von El Niño war (das Wetter verfolgte ich tatsächlich immer). Also musste ich mich auf den neuesten Stand bringen.
Doch in dem Moment, in dem die einstudierte Ernsthaftigkeit von Belinda Chen, der Moderatorin von
Fox Five News
mit den strahlenden Augen und der perfekten Frisur auf dem Fernsehschirm zu sehen war, erfüllte mich eine böse Vorahnung. Und als Belinda und ihr männlicher Kollege mit Helm auf dem Kopf über eine Schießerei auf der 125. Straße sprachen, dann über ein Feuer, in dem eine fünfköpfige Familie ums Leben gekommen war, und über eine Routine-Operation, nach der der Patient gelähmt war, fiel mir auch wieder ein, warum ich keine Nachrichten schaute. Immer ging es um Tod. Und ein Mensch, der sich die meiste Zeit vollkommen über seine Sterblichkeit bewusst war, musste da nicht auch noch dran erinnert werden.
Trotzdem konnte ich nicht wegsehen. Vor allem, als Belinda kurz vor der Werbepause entschlossen in die Kamera blickte und verkündete: „Gleich bei uns – sorgen die finanziellen Kürzungen bei den Fluglinien für künftige Katastrophen? Sehen Sie gleich unsere Spezialreportage über die Entscheidungen der großen Fluglinien und wie sie sich auf Sie und Ihre Nächsten an diesem langen Wochenende auswirken könnten …“
Verstehen Sie jetzt? Genau
deswege
n flog ich nicht gerne. Ängstlich schaute ich zum Schlafzimmer, wo ich durch die halb geöffnete Tür sehen konnte, dass Kirk noch immer fröhlich vor sich hinarbeitete, ohne zu ahnen, dass seine Liebe zu Flugzeugen uns
umbringen
würde. Mein Blick klebte am Fernsehschirm, als Belinda zurückkam und einen Vorfall nach dem anderen aufzählte, bei denen alle möglichen Fluglinien scheinbar unwichtige Details „übersehen“ hatten, nur um Geld zu sparen und den Flugbetrieb aufrechtzuerhalten. (Ihre Stimme klang viel zu aufgekratzt für dieses Thema.)
Als sie ein Interview mit einem vor kurzem entlassenen Mechaniker einblendeten, verschluckte ich mich fast. In fetten Buchstaben stand unten am Bildschirm: Metro-Air.
O Gott. „Kirk!
Kirk!
Komm schnell!“ schrie ich, nahm die Fernbedienung und stellte den Ton lauter.
Man muss Kirk zugute halten, dass er innerhalb von Sekunden mit bestürztem Gesicht neben dem Sofa stand. „Was ist passiert?“
„Schau dir das an!“ Ich deutete mit der Fernbedienung wild auf den Fernsehschirm, wo der Mechaniker gerade behauptete, er habe den Airline-Mitarbeitern gesagt, dass eine Benzinanzeige nicht richtig funktionieren würde, was diese allerdings ignoriert hätten.
„Sie haben also Ihren Job riskiert und es dem Luftverkehrsamt gemeldet?“ fragte der Reporter, sein kantiges Gesicht wirkte ganz betroffen.
„Hey, irgendjemand muss doch das amerikanische Volk schützen“, sagte der Mechaniker, ein wenig selbstgefällig, wie ich zugeben muss.
„Angela …“
„Was denn, es könnte passieren! Vor allem auf einem Shuttleflug. Weißt du, dass stündlich Maschinen von Boston nach New York fliegen? Vielleicht meint einer der Mitarbeiter, dass ein kleiner Riss in der Benzinleitung kein großes Problem ist.“
„Bist du jetzt fertig?“ fragte Kirk. „Kann ich dann mit meiner Arbeit weitermachen, damit ich vor dem Abflug noch etwas Schlaf bekomme? Ich meine, falls wir tatsächlich ins Meer stürzen, will ich wenigstens wach genug sein, um herauszufinden, wie ich die Schwimmweste anlegen muss!“
Daraufhin kam ich mir schon ein wenig blöd vor, vor allem, als der zuvor so aufgebrachte Mechaniker in die Kamera lächelte und „Hi Mom“ sagte. Was blieb mir anderes übrig, als Kirk in sein Schlafzimmer und zu seinem Laptop zurückgehen zu lassen, während ich mich alleine mit meinen Ängsten plagte?
Und das tat ich noch lange, nachdem Kirk in tiefen Schlaf gesunken war. Ich lag mit weit geöffneten Augen neben ihm in der Dunkelheit, mit schmerzendem Bauch, wobei ich nicht wusste, ob das an meiner Nervosität oder an der scharfen Masala-Soße lag, die ich trotz Kirks Warnung heruntergeschlungen hatte. Aber dann dachte ich nicht an brüchige Benzinleitungen oder schlecht geölte Kolben – ich dachte an
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