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Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen

Titel: Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda Curnyn
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gehen ließ. Ich zuckte zusammen, als ich an das höfliche Lächeln von Mrs. Stevens dachte, das sie mir jedes Mal zugeworfen hatte, wenn ich ihr weitere Details meines Lebens eröffnet hatte. Mein Studium an der City University of New York (Susan hatte am Massachusetts Institute Of Technology studiert, was Mrs. Stevens nicht unerwähnt lassen wollte), meine Kindheit und Jugend in Brooklyn (woraufhin Mr. Stevens eine Tirade über die Crown-Heights-Schlägerei losließ, als ob ich irgendwie persönlich dafür verantwortlich wäre). Dann war da noch die Liebesaffäre meiner Großmutter. Kirk brachte das zur Sprache, nicht ich – er fand die Geschichte niedlich. Natürlich waren Mr. und Mrs. Stevens entsetzt.
    „Eine Frau in ihrem Alter!“ stieß Mrs. Stevens aus, als ob meine Großmutter sich prostituieren würde. Dabei handelte es sich doch nur um ein paar harmlose Einkaufsbummel und Pokerspiele mit einem netten alten Mann, der sich vermutlich nichts Aufregenderes vorstellen konnte, als einen Royal Flush in der Hand zu haben. Ich war wahnsinnig froh, als Mrs. Stevens vorschlug, dass wir alle früh zu Bett gehen sollten, weil wir am nächsten Tag viel vorhätten. Ich tat so, als bemerkte ich nicht, dass Mr. Stevens in die entgegengesetzte Richtung von Mrs. Stevens ging, nachdem wir uns verabschiedet hatten (offenbar hatten sie getrennte Schlafzimmer). Kayla war in den Keller gegangen, wo ihre Eltern ihr ein Zimmer eingerichtet hatten, als sie als Teenager rebelliert hatte. Sie übernachtete dort, weil sie in Boston wohnte, und Mr. Stevens der Meinung war, dass eine junge Frau nachts nicht alleine so weit fahren sollte.
    Als ich in meinem eigenen getrennten Schlafzimmer lag, sehnte ich mich nach Kirk, der vermutlich bereits friedlich in seinem alten Kinderzimmer schnarchte. Die Uhr neben meinem Bett tickte laut. Es war erst elf. In New York ging ich nie so früh ins Bett.
    Ich stand wieder auf und durchwühlte meine Tasche nach dem Handy. Ich hoffte, Justin zu Hause zu erwischen, um mit ihm die Ereignisse des Tages besprechen und endlich darüber lachen zu können. Schließlich schien ja einiges an mir komisch zu sein, so erschrocken wie Mrs. Stevens auf mich reagierte. Doch warum konnte ich dann nicht lachen?
    Ich blickte aufs Handy und sah, dass ich keinen Empfang hatte. Wo um Himmels willen war ich, dass ich keinen Empfang hatte? Vielleicht gab es im Haus ein Funkloch.
    Ich spähte aus dem Fenster in den Garten, da draußen würde ich bestimmt Empfang haben.
    Ich fühlte mich wie ein Dieb in der Nacht, als ich das Handy in meine Pyjamatasche stopfte und die Treppe hinunter schlich. Bei jedem Knarren der Stufen zuckte ich zusammen. Ich war erleichtert, als ich unbemerkt die Halle erreichte und überrascht, als ich feststellte, dass die Haustür unverschlossen war. Wo waren wir hier, in Mayberry? Wurde hier denn niemals eingebrochen? Es kam mir fast … unmenschlich … vor, sich über so etwas keine Sorgen machen zu müssen.
    Ich trat vor die Tür, und als mein Fuß in der Dunkelheit einen Körper berührte, hätte ich beinahe einen markerschütternden Schrei ausgestoßen.
    „Psst!“ flüsterte Kayla, lächelte schuldbewusst und wedelte mit einer brennenden Zigarette durch die Luft. „Ich will nicht, dass meine Eltern aufwachen. Du kannst dir sicher vorstellen, was sie von diesem kleinen Laster halten würden …“
    Ich grinste sie erleichtert an. „Kein Problem. Du hast mich nur erschreckt. Ich habe hier draußen niemanden erwartet.“
    „Ich auch nicht.“ Sie blickte neugierig zu mir hoch.
    „Ich konnte nicht schlafen.“ Ich hoffte, dass sie die Ausbuchtung in meiner Pyjamahose nicht bemerkte, in die ich das Handy gesteckt hatte. Zwar war ich sicher, dass Kayla eine Menge Dinge tolerieren würde, aber was hielte sie wohl davon, dass ich mitten in der Nacht einen Mann anrufen wollte?
    Ich setzte mich neben sie auf die Eingangstreppe.
    „Willst du eine?“ Sie hielt mir eine Packung Marlboro Lights hin.
    Gierig nahm ich eine Zigarette heraus.
    Sie lächelte. „Ich wusste, dass du rauchst.“
    „Ich rauche eigentlich nicht“, protestierte ich sofort. „Nur manchmal.“ Erst seit ich darüber nachdenke, deinen Bruder zu heiraten, dachte ich mit einem Gefühl von Panik.
    Sie gab mir Feuer, und die Panik verschwand sofort, als ich einen tiefen Zug nahm. Wir saßen eine Weile still da. Und wie still es war. Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so eine Stille erlebt – und eine solche …

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