Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen
Haustür zu.
„Komm, Angie.“ Kirk nahm meine Hand und zog mich hinter sich her.
Als wir im Jetta saßen, spürte ich mich endlich wieder. So langsam wusste ich das robuste deutsche Auto zu schätzen, weil es der einzige Ort zu sein schien, an dem ich mich entspannen konnte.
„Geht’s dir gut?“ Kirk berührte mich von der Rückbank aus an der Schulter.
Ich drehte mich um und nickte ihm unsicher zu. Klar ging es mir gut – jetzt.
Obwohl ich heimlich gehofft hatte, dass mit Stadt „Boston“ gemeint war (von dem ich wusste, dass es in der Nähe lag, aber offensichtlich nicht nah genug), musste ich feststellen, dass mir die hübschen kleinen Straßen gefielen, durch die wir spazierten, nachdem wir das Auto geparkt hatten. Auch wenn Newton komplett anders war als die Gegend, in der ich aufgewachsen war. Zum einen war es sauberer. Und außerdem sahen hier alle gleich aus. So, als ob sie alle bei
Lands’ End
einkauften. Oder vielleicht bei
Lee and Laurie
, dachte ich, als ich eine mir ziemlich bekannt vorkommende Windjacke an einer jungen Frau entdeckte.
Kayla sprach die ganze Zeit munter vor sich hin, zeigte mir die Bibliothek, der sie angeblich noch immer ein Buch schuldete. „Vermutlich hängt von mir ein Fahndungsfoto im Eingang“, sagte sie mit einem schadenfrohen Kichern. Als wir später an der Bäckerei vorbeikamen, kaufte Kayla drei Baguettes fürs Frühstück und Kekse, die sie sich sofort begann, in den Mund zu stecken. Mein Magen knurrte, und ich erwog, einen dieser verlockenden schwarzweißen Kekse zu nehmen, als Kirk rief: „Kayla, Mom kocht zu Abend. Du weißt doch, wie früh sie immer essen …“
Genau, das Abendessen. Ich durfte mir meinen Appetit für das erste Familienabendessen nicht verderben. Meine Mutter hielt jeden, der an ihrem Tisch wenig aß, für grotesk. Ich wollte keinen schlechten Eindruck hinterlassen, falls Mrs. Stevens genauso empfand.
Sehnsuchtsvoll beobachtete ich Kayla, wie sie sich einen Keks nach dem anderen in den Mund schob.
„Na, wie findest du’s?“ fragte Kirk, nachdem wir einmal durch die ganze Stadt gelaufen waren.
„Es ist … es ist hübsch.“ Ich betrachtete sein glückliches Gesicht. Ich konnte sehen, dass er stolz war.
„Lächeln!“ rief Kayla und richtete die Kamera auf uns, die sie aus dem Auto mitgenommen hatte.
Ich drückte mich an Kirk und lächelte wie die glückliche Freundin, als die ich mich mit einem Mal fühlte.
Und ich hoffte, dass eines Tages ein Foto von mir über dem Sofa der Familie Stevens hängen würde.
Doch Susan war noch immer da, als wir gegen sechzehn Uhr zurückkamen. Genauso wie Mrs. Stevens, die fröhlich das Abendessen zubereitete, während Mr. Stevens auf einem Küchenstuhl saß und sich eine Sendung anhörte, die klang, wie die von
Rush Limbaugh (
extrem konservativer Radiomoderator, Anm. d. Übers.).
„Ihr seid zurück!“ rief Mrs. Stevens und lächelte uns strahlend an. „Phil, hol die Steaks aus dem Kühlschrank.“
„Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?“ Er blickte sie ungläubig an und beugte sich näher zum Radio, das vor ihm auf dem Tisch stand.
Kayla warf ihrem Vater einen kurzen, schneidenden Blick zu, den er nicht bemerkte, ging zum Kühlschrank und nahm eine Packung Fleisch heraus.
„Kann ich helfen?“ fragte ich und lief zu der langen Theke, die das Wohnzimmer von der Küche trennte.
„O nein – Sie sind unser Gast!“ protestierte Mrs. Stevens. Dann wandte sie sich an Kayla: „Könntest du mir auch die Zwiebeln geben?“
Kirk hatte sich an den Tisch gesetzt und in die Zeitung vertieft, die er dort gefunden hatte. „Die verdammten
Red Sox
haben schon wieder verloren!“ murrte er und begann dann, die ganzen mörderischen Details nachzulesen. Ich stellte mich neben ihn und sah, dass die
Red Sox
gegen die
Yankees
verloren hatten. Ich lächelte in mich hinein, als ich mir vorstellte, wie Justin zu Hause vor Freude in die Luft sprang.
Doch meine Freude war recht kurzlebig, denn anschließend saß ich Däumchen drehend herum, während Kayla und Mrs. Stevens durch die Küche fegten. Es tröstete mich ein wenig, dass es hier nicht viel anders zuging, als bei uns. Die Männer hockten herum, während die Frauen wie Sklaven durch die Gegend rannten und sich ums Essen kümmerten. Diese Arbeitsteilung hatte mich immer genervt, doch an diesem Abend hätte ich nur allzu gerne ein paar hundert Knoblauchzehen klein gehackt, statt wie ein Idiot dazusitzen und nichts zu tun zu haben. Und
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