Ein bissfestes Abenteuer
steckte die Polizei? Der Kollege in der Zentrale musste sie doch auf der Videoüberwachung gesehen haben! Die Polizei sollte schon längst hier sein, das Gebäude umzingeln, ein Sondereinsatzkommando bilden oder was die Staatsbeamten eben in so einer Lage für richtig hielten. Rose Wagenzink sah nach rechts. Die kleine Parkanlage, in der sich tagsüber Touristen ausruhten und Stadtpläne studierten, lag verlassen da. Rose Wagenzink sah nach links. Auf der Nebenstraße, die zum Kunstpalais führte, war kein einziges Auto zu erkennen. Auf dem Bürgersteig kein einziger Mensch. Nur eine schwarz-weiße Katze sah verschreckt zu den Mumiengestalten auf der Treppe des Kunstpalais auf. Es war unwahrscheinlich, dass sie zum Sondereinsatzkommando der Polizei gehörte.
Direkt vor dem Kunstpalais stand ein schwarzes großes Auto. Der Motor lief, die Scheinwerfer brannten. Die Fensterscheiben waren getönt.
»Hauen wir ab«, sagte der Mann und stieg eilig die Treppen vom Kunstpalais hinunter.
Die Frau zögerte. Sie musterte die Geiseln.
»Was ist, Gina? Kannst du dich nicht trennen?«, fragte der Mann, der bereits beim Auto angekommen war und zur Beifahrertür ging.
»Die zwei nehmen wir mit«, sagte die Frau schließlich und zeigte mit dem Pistolenlauf auf die Zwillinge.
Silvania zuckte zusammen.
Daka musste niesen.
Oma Rose stieß kurz einen Schrei aus und Pförtner Schnölzel machte »Hmpf«.
»Wieso das denn? Die machen garantiert nur Ärger. Die sehen schon wie Ärger aus«, sagte der Mann. »Hast du schon vergessen, was die Stachelbirne im Klo abgezogen hat?«
»Trotzdem. Wir brauchen sie. Zur Sicherheit. Falls wir doch noch von der Polizei gestoppt werden oder irgendetwas schiefgeht. Du weißt doch, was Onkel Alfred immer sagt: ›Vorbeugen ist besser als Abbrummen.‹ »Aber warum gerade die beiden?«, fragte der Mann.
Genau, dachte Frau Wagenzink.
»Was sollen wir denn mit dem?«, sagte die Frau und zeigte auf den Pförtner. »Der kippt uns nur wieder um. Und ich bin doch nicht verrückt und fahre mit einer Frau durch die Gegend, die auf den Überwachungskameras eindeutig als Kunsträuberin zu sehen ist.«
»Okay, du hast schon wieder recht«, murmelte der Mann.
Oma Rose war wie gelähmt.
Die Frau richtete die Pistole auf Daka und Silvania und kommandierte sie auf die Rückbank des Autos, während sich der Mann auf den Beifahrersitz schwang. Bevor die Frau sich neben die Zwillinge auf die Rückbank setzte, wandte sie sich noch mal an die beiden anderen Geiseln: »Vielen Dank für die Kooperation. Ich empfand die Zusammenarbeit als sehr angenehm. Schönen Abend noch!«
»Aber ... aber Sie können doch nicht einfach meine Enkeltöchter mitnehmen!«, rief Rose Wagenzink.
»Wir können noch ganz andere Sachen«, erwiderte die Frau und grinste.
»Wo bringen Sie sie hin? Nehmen Sie lieber mich mit!«, rief Frau Wagenzink, doch da war die hintere Autotür bereits zu und der Wagen setzte sich in Bewegung. Rose Wagenzink starrte dem Auto hinterher, bis es von der Nebenstraße auf die Hauptstraße bog. Sie versuchte, das Nummernschild zu erkennen, doch ihre Augen füllten sich mit Tränen. Würde sie ihre Enkeltöchter jemals wiedersehen?
Allein unter
Gangstern
S ilvania und Daka saßen stocksteif und sehr mumienhaft auf der Rückbank des schwarzen Autos, denn ihre Hände waren noch immer auf dem Rücken zusammengebunden. Die Schultern schmerzten, das grobe Seil drückte auf die Handgelenke und Adern. Das Klopapier kitzelte auf der Haut. Immerhin hatten sie keinen dicken Klebestreifen über dem Mund wie Pförtner Schnölzel. Nach reden war ihnen trotzdem nicht zumute.
Die Kunsträuber hatten sich das Klopapier vom Kopf gerissen, sobald sie im Auto saßen. Die Frau fuhr sich durch ihre schwarzen kurzen Haare. Zum Glück kam der Muskelmann nicht auf die Idee, seine Frisur im Rückspiegel zu überprüfen. Dann wäre ihm womöglich aufgefallen, dass sich seine Geiseln in Nebel aufgelöst hatten. Denn viel mehr war von den Halbvampiren im Spiegel nicht zu sehen.
Der Fahrer, der offenbar Köpke hieß, konnte höchstens 1,50 Meter groß sein. Erst dachten die Zwillinge, das Auto führe von Geisterhand, doch dann entdeckten sie den Kopf mit einer blauen Schirmmütze ungefähr auf Lenkradhöhe. Sonst war von Köpke nicht viel zu sehen und auch nichts zu hören.
Silvania und Daka starrten in die Nacht. Draußen flogen die Lichter der Großstadt an ihnen vorbei. Bunt dekorierte Schaufenster, blinkende Leuchtreklame,
Weitere Kostenlose Bücher