Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
Herz. Helene war ernst geworden.
Der Gedanke, einen Soldaten in ihre Küche einzuführen, beunruhigte
sie. Der Herr Pfarrer mochte noch so viel erlauben, ihr kam es
nicht ungefährlich vor. Auf dem Lande ist man frei und ungeniert.
Liebschaften sind da in flottem Gange. Sie ließ ihre Befürchtungen
durchblicken. Als Zephyrin begriffen hatte, war's ihm, als sollte
er vor Lachen platzen. Aus Achtung vor der
Dame hielt er an sich und schob sein Käppi von einer Hand in die
andere. Als Helene noch immer schwieg, glaubte er zu verstehen, daß
sie in seine Treue Zweifel setzte. Er rief mit Feuer:
    »Sie denken vielleicht, daß ich Rosalie hintergehen will? Wenn
ich Ihnen aber doch sage: Ich habe versprochen, sie zu heiraten!
und das wird wahr bleiben, so wahr die Sonne uns bescheint… «
    In diesem Augenblick wirbelte Jeanne tanzend ins Zimmer.
    »Rosalie! Rosalie!« sang sie nach einer tänzelnden Melodie, die
sie selbst erfand.
    Durch die offene Tür hörte man das Keuchen des sich mit ihrem
Korbe schleppenden Dienstmädchens. Zephyrin wich in eine Ecke der
Stube zurück. Ein stummes Lachen spaltete seinen Mund von einem Ohr
zum andern, und seine tiefliegenden Augen leuchteten in bäurischer
Durchtriebenheit. Rosalie trat geradewegs ins Zimmer, da sie die
Gewohnheit hatte, die eingekauften Eßwaren der Herrin zu
zeigen.
    »Madame, ich habe Blumenkohl gekauft… Sehen Sie nur! zwei Köpfe
für achtzehn Sous … das ist nicht teuer.«
    Sie hielt ihren halboffenen Korb vor sich, als sie endlich den
grinsenden Zephyrin gewahrte. Schrecken nagelte Rosalie an die
Dielen. Es dauerte Sekunden, – sie hatte ihn jedenfalls in der
Uniform nicht gleich erkannt. Ihre runden Augen vergrößerten sich,
ihr fettes Gesicht wurde blaß, während ihre schwarzen Haare sich
sträubten.
    »Oh!« sagte sie bloß.
    Und vor Erstaunen ließ sie den Korb fallen. Die Vorräte rollten
auf den Teppich, die Blumenkohlköpfe, Zwiebeln und Erdäpfel. Jeanne stieß einen Freudenruf aus und
warf sich mitten im Zimmer auf die Erde und jagte hinter den
Erdäpfeln her, bis unter die Sessel und den Spiegelschrank.
Rosalie, noch immer vor Schreck gelähmt, rührte sich nicht:
    »Wie! du bist's! Was machst du denn da? sprich! he? Was machst
du denn da?«
    Sie drehte sich nach Helene um und fragte:
    »Haben Sie ihn denn hier hereingelassen?«
    Zephyrin sagte nichts, sondern begnügte sich, verschmitzt zu
blinzeln. Da stiegen Rosalie die Rührungstränen in die Augen, und
um ihre Freude über das Wiedersehen zu bezeugen, fand sie nichts
Gescheiteres, als sich über ihren Krieger lustig zu machen.
    »Nanu!« sagte sie an ihn herantretend, »du bist nett, sauber, in
dem Kasten da! Hätte an dir vorbeigehen können und würde nicht
einmal ›Gott grüß dich‹ gesagt haben … Was bist du denn
geworden? Siehst aus, als trägst du dein Schilderhaus auf dem
Buckel! Und geschoren haben sie dich auch! Herr Gott, siehst du
häßlich aus! bist du häßlich!«
    Zephyrin, dem diese Worte in die Nase gingen, entschloß sich
endlich, den Mund aufzumachen.
    »Das ist nicht meine Schuld … ganz sicher … wenn man
dich zu den Soldaten steckte, dann wollten wir erst mal
sehen … « Sie hatten ganz und gar vergessen, wo sie sich
befanden; das Zimmer, die gnädige Frau und Jeanne, die noch immer
nach Erdäpfeln auf den Dielen suchte. Das Dienstmädchen hatte sich
vor dem kleinen Soldaten aufgepflanzt und die Hände über der
Schürze gefaltet.
    »So! Geht denn alles gut da unten?«
    »Ja, bis auf Guignards Kuh, die ist krank
geworden. Der Schmied ist gekommen … und hat ihnen wohl
gesagt, sie hätte Wasser.«
    »Wenn sie voll Wasser ist, dann ist's aus mit ihr – Sonst geht
alles gut?«
    »Ja doch, ja doch – der Feldhüter hat sich den Arm gebrochen.
Vater Caniret ist gestorben, der Herr Pfarrer hat seinen Geldbeutel
verloren mit noch achtzig Sous drin, als er aus Grandval
heimkam … Sonst geht alles gut.«
    Sie schwiegen, schauten einander mit funkelnden Augen und
zusammengekniffenen Lippen an. Das mußte so ihre Art sein, einander
zu umarmen, denn sie hatten sich nicht einmal die Hände gereicht.
Rosalie hatte sich endlich besonnen und war untröstlich, als sie
ihr Gemüse auf der Erde liegen sah. Eine schöne Bescherung! Er
verführte sie zu netten Dingen. Madame hätte ihn auf der Treppe
abfertigen sollen. Brummend und scheltend bückte sie sich und tat
die Erdäpfel, die Zwiebeln und den Blumenkohl zum großen Verdruß
Jeannes wieder in den Korb. Und als

Weitere Kostenlose Bücher