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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Ernstliches,« sagte Doktor Bodin, die Stufen
herabschreitend, »eine Verstauchung. Freilich wird sie vierzehn
Tage auf dem Sofa ausharren müssen.«
    Herr Deberle klopfte Malignon verabschiedend die Schulter. Er
wünschte, daß seine Frau den Garten verlasse, weil es sehr frisch
geworden sei. Und Lucien auf den Arm hebend, trug er ihn selbst
fort und koste mit seinem Jungen.

Kapitel 5
     
    Helene hatte, wie Doktor Bodin es vorausgesagt, vierzehn Tage
das Zimmer hüten müssen.
    Eines Morgens stand sie vor ihrem Bücherschrank, als Jeanne
hüpfend und in die Hände klatschend hereintrat.
    »Mama! Ein Soldat, ein Soldat!«
    »Was, ein Soldat?« sagte die junge Mutter, »was soll ich denn
mit deinem Soldaten?«
    Aber das Kind hüpfte und rief in einem fort: »Ein Soldat, ein
Soldat!«, ohne sich weiter zu erklären. Da stand Helene, weil sie
die Zimmertür offen gelassen hatte, auf und war sehr erstaunt, sich
im Vorzimmer einem Soldaten gegenüber zu sehen. Rosalie war
ausgegangen. Jeanne mußte trotz des ausdrücklichen Verbotes der
Mutter auf dem Flur gespielt haben.
    »Was wünschen Sie?« fragte Helene.
    Der kleine Krieger, verwirrt durch die Erscheinung einer so
schönen und in ihrem spitzenbesetzten Hauskleide so weißen Dame,
scharrte mit dem Fuße auf den Dielen, grüßte und stotterte:
    »Verzeihen Sie … entschuldigen Sie … «
    Mehr Worte fand er nicht und wich, immer mit den Füßen
scharrend, zur Wand zurück. Als er nicht mehr weiter rückwärts
konnte und sah, daß die Dame mit unwillkürlichem Lächeln wartete,
wühlte er gewaltig in seiner rechten Tasche, aus der er ein blaues
Schnupftuch, dann ein Messer und ein Stück Brot hervorzog.
Er betrachtete jeden Gegenstand und steckte
ihn wieder ein, dann fuhr er in die linke Tasche. Dort fanden sich
ein Ende Bindfaden, zwei verrostete Nägel und in die Hälfte eines
Zeitungsblattes gewickelte Heiligenbilder. Er vergrub alles wieder
in der Tiefe seiner Tasche, dann klopfte er sich auf die Schenkel.
Und verblüfft stotterte er:
    »Verzeihen Sie … entschuldigen Sie … «
    Aber plötzlich fuhr er mit dem Finger an die Nase, gutmütig
brummelnd. Dummkopf! Er besann sich. Er machte zwei Knöpfe seines
Waffenrocks auf, fuhr in die Brusttasche, wobei er den Arm bis zum
Ellenbogen vergrub. Endlich angelte er einen Brief heraus und
schüttelte ihn heftig, wie um ihn vom Staube zu reinigen, bevor er
ihn der vornehmen Dame übergab.
    »Ein Brief für mich; wissen Sie das auch bestimmt?« fragte
Helene.
    Der Briefumschlag trug ihren Namen und ihre Anschrift in grober
bäurischer Schrift. Und sobald sie angefangen hatte zu verstehen,
bei jeder Zeile durch Schnörkel und seltsame Rechtschreibung
aufgehalten, lächelte sie. Der Brief war von Rosalies Tante, und
Zephyrin Lacour hieß der Überbringer. Da nun Zephyrin Rosalies
Liebster war, bat sie also die gnädige Frau, den Kindern zu
erlauben, sich sonntags einander zu besuchen. Und am Schlusse
standen die Worte: »Der Herr Pfarrer erlaubt's.«
    Helene faltete bedächtig den Brief zusammen. Während sie ihn
entzifferte, hatte sie mehrmals den Kopf gehoben, um den Soldaten
zu mustern. Er stand noch immer gegen die Wand gezwängt, und seine
Lippen bewegten sich. Er schien jeden Satz mit einer leichten
Bewegung des Kinns zu betonen. Ohne Zweifel wußte er den Brief
auswendig.
    »So! Sie sind also Zephyrin Lacour?«
    Er fing an zu lachen und straffte den
Hals.
    »Treten Sie näher, mein Bester. Bleiben Sie doch nicht da
stehen!«
    Er führte den Befehl aus, hielt sich aber dicht an der Tür,
während Helene sich setzte.
    »Sie haben Beauce vorige Nacht verlassen?« fragte Helene in der
Absicht, nähere Auskunft zu erhalten.
    »Ja, gnädige Frau!«
    »Und nun sind Sie in Paris! Das tut Ihnen nicht leid?«
    »Nein, gnädige Frau!«
    Zephyrin wurde kühner. Er sah sich im Zimmer um. Die blauen
Plüschvorhänge erregten seine Bewunderung.
    »Rosalie ist nicht da,« fuhr Helene fort, »aber sie wird bald
zurück sein. Ihre Tante schreibt mir, Sie seien ihr guter
Freund!«
    Der Krieger gab keine Antwort, senkte verlegen den Kopf und fing
wieder an, mit der Fußspitze auf den Dielen zu scharren.
    »Nun, wenn Sie Ihre Militärzeit hinter sich haben, sollen Sie
Rosalie heiraten?«
    »Gewiß,« versetzte der Krieger errötend, »ganz gewiß. Das steht
bombenfest.«
    So durch das freundliche Wesen der Dame gewonnen, drehte
Zephyrin erst sein Käppi zwischen den Fingern, dann legte er eine
Hand mit gespreizten Fingern aufs

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