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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sie in die Küche ging, ohne
Zephyrin weiter zu beachten, hielt Helene sie zurück, um ihr,
gerührt durch die ruhige Gesundheit der beiden Liebesleute, zu
sagen:
    »Höre, meine Tochter! Deine Tante hat mich gebeten, dem Burschen
zu erlauben, dich sonntags zu besuchen. Er wird nachmittags kommen,
und du wirst dich bemühen, ihm den Dienst ein bißchen zu
erleichtern.«
    Rosalie blieb stehen und wandte bloß den Kopf. Sie war es
brummend zufrieden.
    »Oh! Madame! Er wird mir nette Unruhe machen!«
    Und über ihre Schulter hin warf sie Zephyrin einen Blick zu und
schnitt ihm zärtliche Grimassen. Der kleine Soldat verharrte
reglos, den Mund in stummem Lachen verzogen. Dann zog er sich langsam zurück, dankte,
sein Käppi gegen das Herz drückend. Die Tür wurde geschlossen, aber
er grüßte noch immer.
    »Mama, ist das der Bruder von Rosalie?« fragte Jeanne.
    Helene blieb angesichts dieser Frage verlegen. Sie bedauerte die
in einer gutmütigen Regung gegebene Erlaubnis. So suchte sie nach
einer neuen Erklärung und sagte:
    »Nein, er ist ihr Vetter.«
    »Ach!« sagte das Kind ernst.
    Rosalies Küche ging nach dem Garten des Doktor Deberle hinaus.
Im Sommer wuchsen die Zweige der Rüstern durch das sehr große
Fenster. Es war der luftigste Raum der Wohnung. Weiß von Licht, so
hell, daß Rosalie einen blauen Kattun als Vorhang hatte anbringen
müssen, den sie nachmittags zuzog. Sie beklagte nur die Winzigkeit
dieser Küche, die sich in Gestalt eines Vierecks in die Länge
dehnte, mit dem Herde zur Rechten, einen Tisch und das Büfett zur
Linken. Aber sie hatte Geräte und Möbel so geschickt untergebracht,
daß sie sich neben dem Fenster einen freien Winkel geschaffen
hatte, wo sie des Abends arbeitete.
    Am nächsten Samstag gegen Abend hörte Helene ein solches Rumoren
in der Küche, daß sie hinüberging.
    »Ich scheuere, Madame,« erklärte Rosalie schweißtriefend auf dem
Boden gekauert und beschäftigt, die Steinfliesen mit ihren kurzen
Armen zu waschen.
    Niemals hatte sie ihre Küche so schön gemacht. Eine Braut hätte
drin schlafen können, so weiß war alles. Tisch und Schrank schienen
neu behobelt, sie hatte ihre Finger dabei wund gerieben. Helene
blieb einen Augenblick stehen, dann lächelte sie und ging.
    Nun gab es an jedem Samstag das gleiche
Reinemachen; vier volle Stunden wurden in Staub und Wasser
verbracht. Rosalie wollte am Sonntag Zephyrin ihre Sauberkeit
vorführen. An diesem Tage empfing sie Besuch. Ein Spinngewebe würde
ihr Schande gemacht haben. Wenn alles um sie her blitzte, wurde sie
umgänglich und fing zu singen an. Um drei Uhr wusch sie sich noch
einmal die Hände und setzte eine neue Bandhaube auf. Dann zog sie
den Kattunvorhang halb zu und erwartete Zephyrin inmitten ihrer
schönen Ordnung, in einem Geruch von Thymian und Lorbeerblatt.
    Um halb vier Uhr pünktlich kam Zephyrin. Er spazierte auf der
Straße, bis die Uhr des Stadtviertels geschlagen hatte. Rosalie
hörte seine schweren Schuhe gegen die Stufen poltern und öffnete,
wenn er auf dem Flur stehenblieb. Sie hatte ihm verboten, die
Klingelschnur zu ziehen. Jedesmal wechselten sie die gleichen
Worte.
    »Du bist's?«
    »Ja, ich bin's.«
    Und sie blieben Nase an Nase stehen mit funkelnden Augen und
verkniffenem Munde. Dann folgte Zephyrin Rosalie, aber sie ließ ihn
erst eintreten, wenn er Tschako und Säbel abgenommen hatte. Sie
mochte das durchaus nicht in der Küche haben, sondern versteckte
beides hinter einem Schranke. Dann setzte sie ihren Liebsten neben
das Fenster in die ausgesparte Ecke und erlaubte ihm nicht, sich zu
rühren.
    »Verhalte dich still! Du kannst mir zusehen, wie ich die
Mahlzeit für die Herrschaft richte, wenn du willst.«
    In der ersten Zeit glaubte Helene, das Pärchen überwachen zu
sollen. Sie kam manchmal unvermutet, aber immer fand sie Zephyrin
in seinem Winkel zwischen Tisch und Fenster
neben dem Ausguß, der ihn zwang, die Beine an den Leib zu ziehen.
Sobald Madame erschien, erhob er sich kerzengerade, wie beim
Appell, und rührte sich nicht. Wenn Madame das Wort an ihn
richtete, antwortete er nur durch strammes Grüßen und respektvolles
Brummeln. Nach und nach beruhigte sich Helene, da sie sah, daß die
beiden immer nur das Gesicht ruhiger gesetzter Liebesleute
zeigten.
    An einem Sonntag ging Helene wieder einmal nach der Küche. Ihre
Pantoffeln dämpften den Schall ihrer Schritte; sie blieb auf der
Schwelle stehen, ohne daß Magd oder Soldat sie bemerkt hätten.
Zephyrin saß in seinem Winkel

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