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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Deberle.«
    »Ich kann ihn jetzt nicht empfangen… «
    »Er bittet um Nachricht vom Fräulein… «
    »Bestellen Sie ihm: Das Kind liegt im Sterben.«
    Durch die halboffene Tür hatte Henri alles gehört. Ohne die
Rückkehr des Mädchens abzuwarten, ging er wieder. Tag um Tag kam er
jetzt, erhielt die gleiche Antwort und ging.
    Die ständigen Besuche waren es, die Helene am meisten mitnahmen.
Einige Damen, mit denen sie bei Deberles bekannt geworden war,
glaubten, sie trösten zu müssen, Frau von Chermette, Frau
Levasseur, Frau von Guiraud und andere stellten sich ein. Sie
ließen sich nicht abweisen, sondern verhandelten laut mit Rosalie,
daß man die Stimmen durch die dünnen Wände der Wohnung hören
konnte. So empfing sie denn Helene wohl oder übel im Eßzimmer und
gab ihnen kurze Auskunft, ohne zum Bleiben aufzufordern. Den ganzen
Tag über trug sie ihr Morgengewand und vergaß sogar, die Wäsche zu
wechseln. Ihr herrliches Haar hatte sie zu einem einfachen Knoten
geschlungen und aufgesteckt. Die Augen fielen ihr vor Müdigkeit zu,
und ihr bittrer Mund fand keine Worte mehr. Wenn freilich Juliette
kam, mochte sie ihr nicht die Türe weisen
und ließ sie einen Augenblick am Sterbebett Platz nehmen.
    »Meine Teure… Sie überlassen sich zu sehr Ihrem Schmerz! Fassen
Sie doch ein wenig Mut!«
    Und da Juliette sie mit gutgemeintem Geplauder über die
politischen Ereignisse zu zerstreuen suchte, mußte Helene Rede und
Antwort stehen.
    »Sie wissen doch, daß wir jetzt ganz bestimmt Krieg haben
werden!… Es ist gar zu schrecklich. Zwei Vettern von mir müssen
einrücken.«
    Da schwatzte sie nun weiter von ihren Spaziergängen durch Paris.
Sie fegte den Wirbeltanz ihrer langen Röcke in die stille
Krankenstube. Und wenn sie sich auch Mühe gab, leise zu sein und
Mitgefühl zu zeigen, – trotz alledem konnte sie eine gewisse
Gleichgültigkeit nicht verbergen. Man sah ihr an, daß sie hier ihre
blühende Gesundheit, doppelt freute. Helene fühlte sich von ihrer
Gegenwart bedrückt, und Eifersucht nagte an ihrem Herzen.
    »Madame!« flüsterte Jeanne eines Abends. »Warum kommt denn
Lucien nicht herauf, um ein wenig zu spielen?«
    Juliette hatte in peinlicher Verlegenheit nur ein Lächeln.
    »Ist er etwa auch krank?«
    »Nein, mein liebes Kind, er ist nicht krank, er ist – in der
Schule.«
    Und als sie mit Helene im Vorzimmer allein war, bemühte sie
sich, die Notlüge zu entschuldigen.
    »Oh, ich würde den Jungen ja gern mit heraufbringen, ich weiß
ja, daß es nicht ansteckend ist… aber Kinder erschrecken so leicht,
und Lucien kann sich nicht verstellen! Wenn er Ihren armen Engel
leiden sieht, fängt er sogleich bitterlich an zu weinen …
«
    »Ja doch, ja doch … Sie haben ganz
recht,« unterbrach Helene. Beim Anblick dieser so heiteren
lebensfrohen Frau und im Gedanken an den vor Gesundheit strotzenden
Jungen drückte es ihr schier das Herz ab.
    Eine zweite Woche war verstrichen. Die Krankheit nahm
unerbittlich ihren Verlauf, und jede Stunde nahm ein wenig vom
Leben der kleinen Jeanne mit sich fort. Die Krankheit hatte es
durchaus nicht eilig, dieses schwächliche, so bewunderungswürdige
Wesen zu zerstören. Ein Krankheitsstadium nach dem andern folgte
mit unheimlicher Gesetzmäßigkeit. Der blutige Auswurf war
verschwunden, sogar der Husten ließ nach. Das Kind war so schwach,
und das Atmen fiel ihr so schwer, daß man die Verwüstungen, die die
Krankheit in ihrer kleinen Brust anrichtete, genau verfolgen
konnte. Die Augen des Priesters und des Herrn Rambaud füllten sich
immer wieder mit Tränen, wenn sie dieses Sterben mit ansehen
müßten. Tage- und nächtelang klang das Husten hinter den Vorhängen,
aber das gequälte Geschöpf, das jeder neue Anfall zu töten schien,
kam trotz der anstrengenden Arbeit der Lungen nicht zum Sterben.
Die Mutter war mit ihrer Kraft am Ende. Sie konnte dieses Röcheln
nicht mehr mit anhören und ging ins Nebenzimmer, wo sie den Kopf
gegen die Wand stützte.
    Um Jeanne wurde es einsamer und einsamer. Sie erkannte niemand
mehr, und ihr Gesicht hatte jenen abwesenden, irren Ausdruck, als
ob sie schon nicht mehr auf dieser Erde weilte. Wenn jemand ihre
Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte und ihr seinen Namen nannte,
starrte sie ihn ausdruckslos an und wandte sich müde und erschöpft
zur Wand. Schatten hüllten sie ein, und mit dem ärgerlichen
Schmollen ihrer bösen Eifersuchtstage schloß sie sich ab. Doch immer noch weckten sie
wieder die krankhaften Launen. Eines

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