Ein Braeutigam und zwei Braeute
die Alte düster.
Der alte Mann heiratete. Ein paar Wochen nach der Hochzeit kam er ins Bethaus. Seine roten Wangen waren fahl geworden. Er ging gebückt. Die Stiefel schienen ihm jetzt viel zu groß. Die Männer im Bethaus hänselten ihn: »Na, wie geht's dem jungen Ehemann?«
Der Mann spuckte aus. »Nicht gut.«
»Was ist los?«
»Eine Hexe, das niederträchtigste Stück, das man sich vorstellen kann.«
»Was will sie denn?«
»Was weiß ich? Sie piesackt mich. Sie läßt mich mit ihrem Gekeife nachts nicht schlafen. Sie weckt die Nachbarn. Die Leute kommen und hämmern gegen die Tür.«
»Also, was will sie?«
»Weiß der Kuckuck. Sie redet wie eine Irre, möge das keinem von uns widerfahren!«
»Und was willst du nun tun? Zurückgehen zu deiner Tochter?«
»Sie würde mich nicht aufnehmen.«
»Wieso?«
»Sie ist wütend, daß ich geheiratet habe.«
»Und was jetzt?«
»Es sieht schlecht aus.«
Der Mann hatte sich mit Tochter und Schwiegersohn zerstritten und ein halbverrücktes Marktweib geheiratet. Sein graues Bärtchen war schneeweiß geworden.
Er erzählte keine Geschichten mehr. Er saß im Bethaus und psalmodierte wehklagend, wie für einen Schwerkranken. Mehrmals ging er zum Schlafen nicht nach Hause. Am Morgen fand der Schammes ihn auf einer Bank liegend, einen zerschlissenen Gebetsmantel unter dem Kopf.
Nach einer Weile hörte man, er habe sich von dem Marktweib scheiden lassen, aber seine Tochter lasse ihn nach wie vor nicht in ihr Haus. Er hatte ihre Mutter durch eine ordinäre Marktvettel ersetzt – und das konnte seine Tochter ihm nicht verzeihen. Der Mann unternahm Schritte, um ins Altersheim aufgenommen zu werden, aber dort sagte man ihm, er sei zu jung. Außerdem hätte er auch eine Mitgift einbringen müssen, wie – man verzeihe den Vergleich – eine Nonne, die in ein Kloster eintreten will.
Da tauchte die Alte mit dem schwarzen Bärtchen wieder auf. Sie fing an, Hafergrütze für ihn zu kochen, seine Strümpfe zu stopfen, seine Hemden und Unterhosen zu waschen. Sie wurde seine Beschützerin. Diese Frau, für die er Kaddisch sagen sollte, verhielt sich auf einmal wie eine Ehefrau.
Nicht lange, und das Unvermeidliche geschah. Die Alte kam zu uns und verkündete, daß sie gewillt sei, diesen Mann zu heiraten, der für sie hätte Kaddisch sagen sollen und der sicherlich zwanzig Jahre jünger war als sie.
Bei dieser Rede pochte sie mit ihrem Stock auf den Boden. Ihr Bärtchen zitterte. Die Warzen in ihrem Gesicht hüpften flink. Für eine Frau ist es nicht schlimm, allein zu sein, erklärte sie. Wozu brauchte sie einen Mann? Sie kocht sich ein bißchen was zu essen, wäscht ihre paar Sachen, fegt ihre Wohnung, und schon ist alles in bester Ordnung. Wenn sie hin und wieder nachts Bauchschmerzen bekommt, erhitzt sie einen Topfdekkel und legt ihn sich auf den Leib. Ein Mann aber ist wie ein verlassenes Kind. Er kann nicht kochen, nicht Wäsche waschen, nicht saubermachen. Wenn man nicht für ihn sorgt, verwahrlost er völlig. Da er sowieso Kaddisch für sie sagen werde, könne er ebensogut auch ihr Ehemann werden. Sie habe eine Wohnung und etwas Geld. Er werde bestimmt nicht verhungern. »Die paar Jahre, die ich noch habe, sollten wir in Anstand leben«, setzte sie hinzu.
Mutter hörte ihr zu und schwieg. Der alte Mann kam auch dazu. Er hatte keine große Lust zu dieser Verbindung, aber er sagte: »Habe ich denn die Wahl? Meine Tochter will mich nicht, also muß sich irgendwer meiner erbarmen … und ich bin nicht mehr kräftig genug, um auf einer harten Bank zu schlafen.«
Er heiratete – hatte aber anscheinend nicht das große Los gezogen. Wieder saß er im Bethaus und psalmodierte wehklagend.
Die jungen Leute fingen an, ihn auszufragen. Sie wollten wissen, ob er der Hexe nähergetreten sei, aber der alte Mann fauchte: »Ich bin nicht verpflichtet, euch Auskunft zu geben.«
»Wie alt ist sie?«
»Ich habe ihre Jahre nicht gezählt.«
»Hat sie ein Reisigbündel?«
»Werdet nicht frech!« rief der alte Mann. »Zurück an eure Bücher!«
Eines Winterabends, zwischen Nachmittags- und Abendgebet, klagte der Alte, er sei stark erkältet. Er ging nach Hause, erschien anderntags aber nicht zum Morgengebet. Auch am folgenden Morgen kam er nicht ins Bethaus. Dort meinte man, man werde ihm wohl einen Krankenbesuch abstatten müssen. Doch es war schon zu spät – der Kaddischbeter war
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