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Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Bashevis Singer
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Konvertiten los; er betete nun in einer Synagoge. Aber auf der Straße war er weiterhin lästig. Den Prostituierten, die an den Haustoren standen, predigte er Moral. Den Dieben, die in der Anlage herumlungerten, hielt er einen halb jiddischen, halb russischen Vortrag, in dem er sie mahnend darauf hinwies, wo in den Zehn Geboten der Bibel der Satz »Du sollst nicht stehlen« vorkam. Selbst damals schon gab es in der Straße Haushalte, wo die Frauen am Sabbat kochten, und der Konvertit tauchte dort auf, um sie zu maßregeln, sagte Katastrophen voraus, Seuchen und sogar Pogrome. Nicht lange, und die Kinder hefteten sich an seine Fersen und neckten ihn mit »Iwan, Iwan muß marschiern, Iwan muß den Kopf verliern …«.
      Seine größte Entrüstung aber sparte er sich für die jungen Mädchen auf, die kurzärmlige, ausge schnittene Kleider trugen. Der Konvertit rannte ihnen nach, schimpfte sie Dirnen und Huren und schalt sie lauthals Sünderinnen, die andere zur Sünde verführten.
      In der Straße gab es ein Teehaus, wo Jungen und Mädchen am Sabbat zusammenkamen, um Kürbiskerne zu knacken, zu flirten und zu tanzen. Die Besitzerin ging mit unbedecktem Haar herum und goß ab und zu kaltes Wasser in den Samowar nach oder stieß verstohlen den eisernen Schürhaken ins Feuer. Der Konvertit sah, was da vor sich ging, und ernannte sich selbst zum Sabbatwächter. Die Diebe und Schläger, die in diesem Lokal Stammgäste waren, verwünschten den Konvertiten und drohten ihm, er werde eines Tages mit einem Messer im Rücken aufwachen. Die Mädchen lachten ihn aus und geleiteten ihn mit Pfiffen zum Teehaus hinaus.
      Der Konvertit beschwerte sich bei Vater und tadelte ihn, daß er sich nicht um die Straße kümmere. Vater rechtfertigte sich vor dem Konvertiten, als sei er einer seiner eigenen Leute, und erzählte ihm, wie wenig die heutige Generation sich um ethische Botschaften scherte. Vater deutete dem Konvertiten an, er solle lieber beten, solle lernen, Jude zu sein, und nicht versuchen, andere zu bessern, weil das vergebliche Mühe sei. Doch der Konvertit verwies Vater auf den Vers im Pentateuch, wo dem Gläubigen geboten wird, seinen Mitmenschen zu tadeln.
      Vater pflichtete ihm bei, zeigte ihm aber ein Gesetz, das bestimmte, wenn man Gewißheit habe, daß Moralpredigten wirkungslos seien und der Mitmensch mutwillig und absichtlich sündige, solle man ihm nicht länger Vorhaltungen machen. »Alles hat seine Grenzen«, erklärte Vater.
      »Ihretwegen wird der Messias nicht kommen, und wir müssen auf ewig in der Verbannung bleiben.«
      »Auf ewig? Das verhüte Gott!«
      »Sie fordern die neuerliche Zerstörung heraus.«
      Der Konvertit wollte sich nicht trösten lassen. Das Sündigen auf der Straße bereitete ihm endlose Pein. Aus seinen blassen Augen sprach unjüdische Bitterkeit.
      Eines Sabbats wurden die Menschen Zeuge einer anderen sonderbaren Szene: Der Konvertit wurde zwischen zwei Polizisten abgeführt. Da es in Rußland verboten war, zum Judentum überzutreten, hatte der Konvertit ein Staatsverbrechen begangen. Offensichtlich hatte jemand ihn bei den Behörden angeschwärzt. Oder er hatte vielleicht eine andere Übertretung begangen. Die Polizei hängte ein Schloß vor die Werkstatt und versiegelte die Tür.
      Einige meinten, man müsse Nachforschungen anstellen und dem Konvertiten einen Anwalt suchen, aber niemand hatte Geld oder Zeit für solche Bemühungen übrig. Nach einer Weile wurde das Schloß vor seiner Tür entfernt, und ein Sodawasserladen machte dort auf. Der Konvertit schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Erst jetzt begannen die Menschen in der Straße zu begreifen, was geschehen war. Ein Goi hatte sein Leben für die Jüdischkeit geopfert, und die Juden hatten ihn verspottet. Er war irgendwo eingekerkert, und niemand unternahm auch nur die geringste Anstrengung, ihn zu befreien. Manche sagten, der Konvertit sei nach Sibirien geschickt worden. Die Elementarschüler waren sicher, daß er entweder gehenkt oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war und seine Seele mit den Worten »Höre Israel!« ausgehaucht hatte. Die Menschen in der Straße fühlten sich schuldig.
      Sie dachten, sie würden den Konvertiten nie wiedersehen. Doch nicht lange nachdem die Deutschen Warschau im Ersten Weltkrieg besetzt hatten, erzählte ein Bursche namens Chaim folgende Geschichte:
      Eines Tages war er hungrig die Długastraße entlanggegangen. Da erblickte er einen Laden mit

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