Ein bretonisches Erbe
sich schmecken. Nun ergriff Julien die Gelegenheit und kam doch noch einmal von sich aus auf den Abend in der Bar Jeux zu sprechen.
„Yuna, es tut mir wirklich leid, dass ich dich mit meinem Verhalten verletzt habe. Aber ich kenne die Mädchen schon so lange und wir schäkern einfach nur rum. Das hat überhaupt keine Bedeutung. Im übrigen sind sie doch die Freundinnen von Claude und Patrice und du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mich an die Bräute meiner Freunde ran mache?!“
„Bräute?“, fragte sie erstaunt.
„Na, klar, die sind doch so gut wie verlobt!“
Nun musste sie lachen. Himmel, war sie erleichtert.
„Da bin ich aber wirklich froh“, sagte sie in aller Offenheit. „Ich dachte schon, du stehst auf die und etwas mehr überall…“ Sie kicherte ein wenig albern wie ein Teenager. „Ich kam mir ehrlich gesagt ziemlich hässlich vor.“
„Was für ein dummer Gedanke!“, rief er empört aus. „Und wieso eigentlich hässlich? Du bist die schönste Frau der Gegend…mindestens von hier bis nach Paimpol!?“
„Musst du nicht bei deinen Großeltern sein?“, fragte Yuna, nun von diesem Thema lieber ablenkend, mit vollem Mund. Aber Julien schüttelte den Kopf.
„Sie gehen mit der Prozession zurück in die Kirche, wir haben also noch etwas Zeit für uns. Später werde ich sie allerdings ein wenig betreuen müssen und es wäre schön, wenn du mir dabei Gesellschaft leisten würdest.“
Yuna dachte an den letzten so abrupt abgebrochenen Besuch und sagte daher eher vage: „Mal sehen, wenn es sie nicht stört.“
Aber Julien wischte ihre Bedenken gleich beiseite. „Unsinn, du weißt doch wie sehr sie dich immer schon gemocht haben. Niemand hat mit solcher Hingabe die Ziegen gekämmt wie du. Großmutter hat übrigens auch einen Stand hier, wo sie die Angorawolle verkauft. Handversponnen und gefärbt.“ Er lachte und es klang stolz. Und da Yuna als Künstlerin an diesen Dingen auch sehr viel Freude hatte, beschlossen sie, dem Stand später auf jeden Fall einen Besuch abzustatten.
„Schmeckt dir die Makrele?“, fragte Julien und reichte ihr die Zitrone rüber. „Mit ein paar Spritzern Zitrone ist sie noch leckerer.“ Yuna nickte und aß mit voller Hingabe weiter. So frisch kam Fisch in Deutschland selten auf den Teller, das musste genossen werden.
„Du solltest mal selber welche angeln. Sie kommen manchmal in großen Schwärmen in die Bucht und sind dann leicht mit der Angel von der Promenade aus zu fangen. Eine Beute von fünf bis acht Stück ist an einem solchen Abend keine Seltenheit.“
Yuna lachte, weil sein Gedächtnis offensichtlich nicht das Beste war.
„Weiß ich“, meinte sie schmunzelnd, „wir haben es früher einige Male recht erfolgreich getan.“
Er schlug sich demonstrativ mit der flachen Hand gegen die Stirn.
„Stimmt“, stöhnte er auf, „wie konnte ich das vergessen! Ich werde alt! Kannst du mir verzeihen?“
Sie lachte. „Auch das, aber nun ist es auch mal gut mit dem Verzeihen. Findest du nicht, dass du es etwas überstrapazierst? Wenn ich es für Lappalien aufbrauche, habe ich ja in Zukunft nichts mehr übrig.“
Er betrachtete sie mit einem warmen, offenen Blick. „Das brauchst du auch nicht“, sagte er mit sanfter Stimme und plötzlich ganz ernst. „Ich werde dir keinen Grund mehr dazu geben.“
Yuna schielte ihn verstohlen über ihren Fisch an und tat zugleich so, als müsste sie äußerst konzentriert auf die Gräten achten.
„Na gut“, meinte sie dann jedoch, „wir können ja mal schauen, ob ich es noch hinkriege… das Angeln, meine ich. Kannst ja Bescheid sagen, wenn sich mal wieder ein Schwarm in unsere Bucht verirrt.“
Sie legte das Besteck auf den Teller zum Zeichen dass sie mit dem Essen fertig war.
Sofort griff Julien nach ihrer Hand und sprang auf.
„Komm mit an den Strand“, bat er. „Die Sonne scheint so schön, nach dem Regen gestern sollten wir das genießen und uns dort ein bisschen ausruhen. Der Tag wird lang, denn nachher gibt es ja auch noch Tanz und ich brenne darauf mit dir hinzugehen“ Er sah sie fragend an,. „Du wirst mir doch die Freude machen?“
Yuna ließ sich mitziehen und freute sich auf einen abwechslungsreichen und fröhlichen Tag. Sie war nicht nachtragend und nahm Juliens Entschuldigung für seinen Ausrutscher in der Bar Jeux darum ernst. Die Sache war damit für sie erledigt und das Fest die schönste Gelegenheit neu durchzustarten.
Die Ebbe hatte bereits ihren Höhepunkt überschritten und das
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