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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Menton
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seine Liebe gesteht und dann hatten sie nur diese wenigen glücklichen Tage!“
    „Es ist doch lediglich ein Roman“, sagte Julien und konnte Yunas Sentimentalität wohl wirklich nicht verstehen, aber dennoch unternahm er einen Versuch sie zu trösten und streichelte zart ihre tränenfeuchten Wangen.
    „Aber Loti soll ihn nach einer wahren Begebenheit geschrieben haben“, sagte sie und verharrte störrisch in ihrem Kummer. „Und wenn sie in Wirklichkeit nicht Gaud und Yann hießen, dann eben Anne und Francois! Du hast es doch selbst auf den zahllosen Gedenktafeln auf dem Friedhof von St. Laurent gelesen. Perdu en mer! Waren das auch Romane? All diese Männer sind doch wirklich auf See geblieben. Das ist die grausame Wirklichkeit eurer eigenen bretonischen Geschichte. Keine Fantasie! Fast alle haben Frauen wie Gaud gehabt oder Mütter, die verzweifelt und vergebens auf ihre Rückkehr hofften!“
    Natürlich musste Julien ihr zustimmen, aber da er nicht wollte, dass sie sich in ihrem kranken Zustand mit so einem traurigen Thema befasste, häufte er einen Stapel Kunstmagazine auf ihre Bettdecke. In einem stand ein ausführlicher Nachruf auf ihren Großvater, in dem sein Lebenswerk gewürdigt wurde. Die geplatzte Beerdigung wurde nicht erwähnt, worüber sie froh war. Nicht, dass sie die Entführung der Urne bereute, aber ihrem Vater, als Juristen, wäre es gewiss besonders unangenehm gewesen.
    Sie schenkte Julien ein dankbares Lächeln, doch als er sie verlassen hatte, schob sie die Magazine schnell beiseite und ließ sich zurück in die Kissen fallen.
    Ihre Gedanken kreisten immer wieder um das Flüchtlingsschiff, das am 6. Juli 1943 untergegangen war und dessen Passagiere von den Besatzungstruppen einfach in einem Massengrab verscharrt worden waren, um die Angelegenheit schnell zu vertuschen. Auch auf diese Menschen hatte sicher jemand gewartet, der nie mehr ein Lebenszeichen von ihnen erhalten hatte. So viel Verzweiflung auch hier!
    Es musste furchtbar sein, wenn ein Mensch mit einem lieben Gruß, einem letzten Lächeln und ganz viel Hoffnung auf ein besseres Leben aufbrach und dann nie mehr wieder kam. Wenn man als derjenige, der zurückgeblieben war, so gar nicht wusste, welches Schicksal er erlitten hatte. Ob er irgendwo glücklich oder ob er krank, einsam oder gar tot war!
    Der Liebste verschollen im Meer! Wie konnte man nur mit so einem Gedanken leben.

    Dann erwachte Yuna eines Morgens und alles war vorbei.
    Das Fieber, die Träume, die Krankheit.
    Sie stand auf, ging zum Fenster und öffnete es weit. Eine frische Brise wehte herein. Das Meer glänzte in strahlendem Blau und sie empfand es nicht mehr als bedrohlich, sondern konnte seine Schönheit wieder an sich heranlassen.
    Am hellblauen Himmel zogen gemächlich die typischen bretonischen Schäfchenwolken, wie Wattebäusche, die man bei einer Kinderparty über eine blaue Tischplatte bläst.
    Sie war wieder gesund. Ihr Körper und auch Ihr Geist hatten die schrecklichen Erlebnisse verarbeitet und überwunden.
    Julien besuchte sie mit einem Blumenstrauß. Weiße Rosen dekorativ zwischen blaue Hortensien gesteckt und mit einer Taftschleife verziert.
    „Das sieht ja aus wie ein Hochzeitsstrauß“, sagte sie etwas verlegen.
    Julien räusperte sich.
    „Äh, nun, ich habe gesagt, es soll für eine Geburt sein…“
    „Wie bitte?!!“
    Nun war sie aber völlig irritiert.
    „Na, ja, ist doch so eine Art Wiedergeburt, wenn man aus so einer Todesgefahr gerettet wird…“
    Nein, wie romantisch! Sie lachte. So konnte man es natürlich auch sehen. Eine schöne Idee. Dieser Mann hatte so viele davon!
    „Und du bist es gewesen, der mich gerettet hat“, sagte sie dankbar.
    Er sah sie liebevoll an und meinte bescheiden:
    „Wer hätte es sonst tun sollen?“
    Sie küssten sich sehr vorsichtig, erst fragend, sanft und schließlich mit kaum zurückgehaltener Leidenschaft. Sie konnten nicht von einander lassen, hätten sich verschlungen, wenn es möglich gewesen wäre, nur um einer im anderen aufzugehen, um einander ganz nahe zu sein.
    Schließlich ließen sie dennoch ab und nachdem sich ihre Lippen getrennt hatten, sah Julien Yuna eine Weile nachdenklich an, dann meinte er mit großer Ernsthaftigkeit:
    „Du darfst dich nie wieder in solche Lebensgefahr bringen.“
    „Ich habe wohl sehr mächtige Schutzengel gehabt“, sagte sie leise und dabei hatte sie die beiden leuchtenden Gestalten vor Augen, die im Traum neben ihr auf dem Granitfelsen gestanden hatten. Der

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