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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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sie den Ausdruck bemerkte, der über Marcos Gesicht zog. »Nein«, sagte sie leiser und verängstigter, als sie an die Einsamkeit jener Nächte dachte, die von nun an vor ihr lagen.

Polizist für einen Tag
    A chtzehntausend Dollar besaßen sie; aber nicht einen Cent konnten sie ausgeben. Davy Wyatt stapelte das Geld auf den Küchentisch, säuberlich gebündelt entsprechend dem verschiedenen Wert, saß dann einfach da und betrachtete es. Nach einer Weile ging dies Phil Pennick auf die Nerven.
    »Hör endlich damit auf, Junge«, sagte der Ältere. »Du machst dich damit bloß fertig.«
    »Glaubst du etwa, das weiß ich nicht?«
    Davy seufzte und fegte die Geldscheine wieder in die nagelneue lederne Aktenmappe. Dann warf er sie achtlos auf seine Pritsche, um sich schließlich ebenfalls hinzulegen, wobei er die Hände hinter dem Kopf verschränkte.
    »Ich gehe jetzt«, sagte Phil plötzlich.
    »Wohin?«
    »Ein paar Sandwiches und vielleicht auch eine Zeitung holen. Einen kleinen Spaziergang machen.«
    Das Gesicht des Jungen wurde blass. »Hältst du das für gut?«
    »Hast du eine bessere Idee? Hör mal zu: Wir können in diesem Dreckloch doch nicht verfaulen.« Phil sah sich in der Einzimmerwohnung um, die seit zwei Tagen ihr Gefängnis war, und stieß einen Laut aus, der seinen Widerwillen nicht annähernd ausdrückte. Dann griff er nach seinem Jackett und zog es über.
    »Es ist dein eigener Hals«, sagte der Junge. »Mir brauchst du nicht die Schuld zuzuschieben, wenn sie dich erwischen. Wenn dieses Weibsbild der Polente Bescheid gibt...«
    »Halt den Mund! Wenn man mich erwischt, steckt dein Hals keine zehn Minuten später ebenfalls in der Schlinge. Also wünsche mir nicht Pech, Freundchen!«
    Davy richtete sich sofort auf. »Du, mach keine Witze. Oder willst du etwa die Gelegenheit ausnutzen?«
    Der Ältere lächelte. Das Lächeln milderte den grimmigen Ausdruck seiner Gesichtszüge nicht, sondern verschob lediglich die erstarrte Ausdruckslosigkeit, die das Ergebnis von drei Gefängnisstrafen war. Er stülpte einen leichten Hut auf seinen grauen Schädel und rückte ihn sorgfältig zurecht.
    »Wir haben unsere Chance bereits genutzt«, sagte er, indem er die Tür öffnete. »Und was die Frau angeht – die überlass man mir.«
    Er zog die Achtunddreißiger aus der Schulterhalfter, überprüfte die Patronen und steckte sie wieder ein. Diese Bewegung war so beiläufig, so lässig, dass der Junge wieder einmal merkte, dass er mit einem Profi zusammen arbeitete.
    Er schluckte trocken und sagte dann: »In Ordnung, Phil. Ich überlasse es dir.«
    Auf der Straße wimmelte es von Kindern. Phil Pennick mochte Kinder gern – besonders in unmittelbarer Nähe eines Verstecks. Sie hielten die Polizei von rücksichtslosem Vorgehen ab. Wie ein Mann, der sich die Morgenzeitung oder ein Päckchen Zigaretten kaufen will oder zu einem Buchmacher geht, um seinen Einsatz zu machen, schlenderte er die Straße entlang. Niemand sah ihn zweimal an, obgleich sein Anzug eine Spur besser war als alle, die man in diesem Elendsviertel sehen konnte.
    Davys letzte Worte waren ihm im Gedächtnis haftengeblieben. »Ich überlasse es dir...« Es war ziemlich leicht, den Jungen durch das Versprechen zu beruhigen, dass der alte Profi sie schon aus allen Schwierigkeiten herausbringen würde. Nur war der alte Profi sich diesmal nicht ganz sicher.
    Gemeinsam hatten sie einen narrensicheren Beutezug geplant. Irgendetwas Einfaches, ohne großartige Vorbereitungen. Erforderlich war dazu nur der schmächtige Bote einer kleinen Bank in Brooklyn gewesen, die im Kolonialstil erbaut war; jene Art von Bankbote, der man nie mehr als ein paar Tausender anvertraut. Nur waren sie in doppelter Hinsicht überrascht worden. Einmal zeigte sich, dass der Bankbote ein ausgesprochener Raufbold war, und zweitens war die Beute, wie sie später merkten, erheblich größer gewesen, als sie sich hatten träumen lassen. Jetzt besaßen sie zwar das Geld, aber der kleine Botenjunge hatte dafür zwei Kugeln in der Brust. War er tot oder lebte er noch? Das wusste Phil nicht, und es interessierte ihn auch nicht. Noch eine Verhaftung und Verurteilung, und er war sowieso so gut wie tot. Er war nicht dazu geschaffen, lebenslänglich zu sitzen – dann schon lieber tot.
    Aber das Geld hatten sie. Das war das Wichtigste. In den zwanzig Jahren, in denen er es immer wieder probiert hatte, war es Phil Pennick nicht ein einziges Mal gelungen, einen derartigen Fisch an Land zu ziehen.
    Und es

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