Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
eisig. »Deshalb beabsichtige ich, mir von ihnen helfen zu lassen, damit Sie Disziplin lernen. Das ist alles, Mr. Hatch.«
    Jarvis wollte zur Tür gehen; Perrys Hand klammerte sich an seinen Ärmel. »Herr Professor, einen Augenblick! Sie kennen meinen Vater nicht. Ich meine, wie er sein kann...«
    »Ich hoffe, dass er sehr, sehr streng ist.«
    »Er wird mich umbringen! Er wird mir kein Geld mehr schicken!«
    Jarvis riss seinen schäbigen Ärmel los und marschierte in feierlicher, unbeirrbarer Gerechtigkeit aus dem Zimmer.
    Dino wartete vor dem Standbild des Generals, als Perry den Hof betrat. Dinos Haar war kurzgeschoren, so dass sein Schädel rund wie eine Melone war, und sein Gesichtsausdruck war fast genauso nichtssagend. Perry, ein gutaussehender Junge mit einem eigensinnigen Mund, wurde noch störrischer, als Dino ihn nach dem Gespräch mit dem Professor fragte.
    »Dieser alte Gauner«, knurrte Perry. »Er sagt, er will meinem Alten schreiben. Mensch, ich sehe förmlich, wie der in die Luft geht.«
    »Mann, das ist aber ziemlich hart.«
    »Warum hackt er eigentlich dauernd auf mir herum? Warum ist er so gemein?«
    Dino lachte unterdrückt. »Du weißt doch, was man sich über ihn erzählt, Perry. Über die Art, wie er von seiner Frau behandelt wird. Mensch, so was von Pantoffelhelden gibt es nur einmal.«
    »Darauf gehe ich jede Wette ein. Jeden Abend macht die alte Hexe ihm die Hölle heiß, und dann lässt er es an uns aus.«
    »Weißt du noch, was letztes Jahr los war? Als sie ihn aus dem Haus jagte und er im Hotel Reo übernachten musste?« Dino kicherte. »Mensch, war das eine Sache! Weißt du noch, wie er am nächsten Tag von allen aufgezogen wurde?«
    »Hoffentlich macht sie ihm heute abend das Leben zur Hölle.«
    »Da hast du Pech«, sagte Dino. »Sie ist nämlich nicht da. Vor einigen Monaten fuhr sie weg, um ihre Schwester oder irgendwelche Leute zu besuchen, und ist bis jetzt nicht zurückgekommen.«
    »Zu schade«, brummte Perry. »Jetzt habe ich nichts, worauf ich mich freuen kann – ausgenommen das Geld, das mein Vater mir nicht mehr schicken wird.«
    »Menschenskind«, sagte Dino ehrlich besorgt, »wenn du nun zum Professor gingest...«
    »Was soll das für einen Sinn haben?«
    »Wenn du deinen Stolz hinunterschluckst, dich bei ihm entschuldigst...«
    »Glaubst du ehrlich, dass es einen Sinn hat?«
    »Vielleicht wirst du vor ihm ein bisschen im Staube kriechen müssen. Aber das ist immer noch besser, als kein Geld mehr zu bekommen. Stimmt‘s? Los, geh heute Abend zum Professor! Wenn du willst, komme ich mit.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Klar«, sagte Dino und klopfte ihm auf den Rücken. »Jetzt gehen wir erst mal einen Happen essen, und dann kannst du deine Ansprache proben. Übrigens – kannst du vielleicht für mich bezahlen? Ich bin nämlich völlig blank.«
    Abends war die Universität die kleinste aller Kleinstädte: In den winzigen Wohnungen, die sich am Rand des Areals befanden, wurde es zeitig dunkel. Das Haus von Professor Jarvis war lediglich ein Bungalow mit einem kleinen Rasen davor und auf beiden Seiten von Nachbarn eingerahmt. Als Perry und Dino näher kamen, sahen sie das gelbe Licht, das das Arbeitszimmer erhellte. Durch das große Vorderfenster konnten sie den mit Büchern vollgestopften Raum deutlich erkennen: Der Schreibtisch war mit Papieren, Handbüchern und sonstigen Dingen bedeckt. In einer Ecke hing ein Skelett, in einer anderen eine zerknitterte anatomische Tafel. Auf dem Kaminsims stand verloren ein mottenzerfressener Elchkopf. Das alles konnten sie von der Straße aus sehen; aber der Professor war nicht im Zimmer.
    »Los, komm weiter«, flüsterte Dino. »Gehst du jetzt rein oder nicht?«
    Perry zögerte und biss sich auf die Lippen. »Was soll das für einen Sinn haben? Du kennst doch den alten Kerl. Er wird mich nur wieder anbrüllen.«
    »Du bist ein Feigling», sagte Dino höhnisch. »Mehr bist du nicht.«
    »Darum geht es gar nicht! Außerdem ist er nirgends zu sehen.«
    In der unmittelbaren Umgebung des Hauses ertönte ein scharrendes Geräusch; beide fuhren erschrocken zusammen und verschwanden schuldbewusst im Schatten.
    »Was war das?«
    »Woher soll ich das wissen?« sagte Dino kläglich. »Gehst du jetzt endlich hin?«
    »Ich glaube fast, er kommt raus!«
    »Das Geräusch kam von hinten. Wahrscheinlich eine Katze.«
    Vorsichtig schlich Perry sich zur Rückseite des Hauses, in dem der Professor wohnte, während Dino ihm mürrisch folgte. Als er den

Weitere Kostenlose Bücher