Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
wegen dieses Polizisten.«
»Wegen eines Polizisten?«
»Wegen des Polizisten, auf den ich schießen musste. Sie wissen doch selbst, Doc, wie die sind; die haben einen Schutzvertrag auf Gegenseitigkeit. Sie haben es nicht gern, wenn ein Polizist verletzt wird.«
»Hast du ihn erschossen?« Der Doktor war ängstlich geworden; seine Hände zitterten noch mehr als sonst, als er die Binde um Charlies Oberschenkel wickelte.
»Woher soll ich das wissen? Ich habe die Diagnose nicht abgewartet. Au! Nicht so fest! Das tut weh, Doc.« Er stöhnte leise; für Schmerzen hatte Charlie nicht viel übrig. »Können Sie mir nicht irgendwas geben, Doc? Es tut verdammt weh.«
»Ich habe nichts hier, Charlie, das weißt du. Sonst hätte ich sofort die ganze Nachbarschaft auf dem Hals.«
»Geben Sie mir wenigstens ein Rezept, ja?«
»Gut. Aber geh damit woanders hin; es hat keinen Sinn, sich zu sehr auf sein Glück zu verlassen.«
»Wie Sie meinen, Doc. Aber beeilen Sie sich – schnell!«
Mit dem Rezept in der Jackentasche humpelte er hinaus. Er hielt wieder ein Taxi an und nannte dem Fahrer die Kreuzung, in deren Nähe seine Wohnung lag; zum Glück gehörte der Fahrer nicht zu den Leuten, die Radio hören. In der Nähe seiner Wohnung befand sich ein Drugstore, der die ganze Nacht geöffnet hatte; dort wollte er sich das Zeug holen und dann verschwinden.
»Halten Sie hier«, sagte er, als das fast ausgebrannte Neonzeichen des Drugstores in Sicht kam. Er bezahlte, betrat dann unauffällig den Laden und schonte dabei sein verletztes Bein.
Es war ein altmodischer Drugstore, in dem ein großes Durcheinander herrschte und mindestens zehntausend verstaubte Flaschen auf den Regalen standen. Der alte Knabe, dem der Laden gehörte, war hinten und zerstieß irgendetwas in einem Mörser. Sein Gehilfe, ein junger Mann mit schütterem Haar, nasaler Stimme, die auf Polypen hindeutete, und kurzsichtigen Augen, bediente. Charlie wartete, bis eine Kundin ihre Sachen erhalten hatte, ging dann hin und übergab ihm das Rezept.
Der junge Mann hielt es sich vor die Nase und sagte. »Das wird ein paar Minuten dauern. Wollen Sie warten?«
»Ja, klar. Ich warte«, sagte Charlie. Er verzog seinen Mund und wollte gerade leise vor sich hin pfeifen, als er aus dem hinteren Raum eine Stimme hörte. Verstehen konnte er die Worte zwar nicht, aber der gleichbleibende mechanische Tonfall verriet ihm, dass in der Rezeptur ein Radio angestellt war. Vor Angst zogen seine Muskeln sich zusammen, und die eine Hand rutschte langsam zu seiner automatischen Pistole, die in der Hosentasche steckte. War es Einbildung? Oder sah der glatzköpfige Kerl ihn tatsächlich neugierig an?
»Mr. Fletcher?« Der Angestellte steckte seinen Kopf durch die Tür, die nach hinten führte. »Mr. Fletcher, kann ich Ihnen noch ein Rezept bringen?«
»Was ist los?«
»Hier ist ein Kunde mit einem Rezept, Mr. Fletcher. Können Sie es gleich anfertigen?«
»Natürlich, sicher, Vernon. Bringen Sie es her.«
Der Angestellte ging nach hinten, und Charlie spitzte die Ohren, um zu hören, ob die beiden sich vielleicht leise unterhielten. Was war, wenn der Angestellte dem alten Knaben von ihm erzählte? Was war, wenn hinten noch ein Telefon stand?
Dank der Lautstärke des Radios konnte er nichts hören. Als der Angestellte wieder erschien, tat er, als interessiere er sich für einen Schaukasten mit Rasierklingen.
»Brauchen Sie sonst noch etwas, Sir?« sagte der Angestellte und bleckte beim Lächeln die Zähne – der vollkommene Verkäufer.
»Nein«, sagte Charlie. »Beeilen Sie sich bloß mit dem Rezept.«
»Es dauert nur eine Minute, Sir.«
Ein rasender Schmerz schoss durch sein Bein und bis in seinen Kopf. Charlie versuchte, den Krampf dadurch zu mildern, dass er den Fuß vom Boden hob. Er spürte, wie kalter Schweiß auf seinem Gesicht stand.
»Ist etwas los, Mister?«
»Mit mir nicht. Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, Freundchen.«
»Yes, Sir«, erwiderte der Angestellte.
Ein Mann kam herein und klagte über Verdauungsbeschwerden. Ein Kind kam herein und kaufte eine Briefmarke. Eine Frau kam herein und flüsterte dem Angestellten ihren Wunsch ins Ohr. Und hinten hantierte der Alte, dem der Laden gehörte, mit seinen Flaschen und Töpfen herum, als verwirrte ihn der Überfluss an Pulvern und Pillen, die ihm dort zur Verfügung standen.
»Verdammt noch mal!« sagte Charlie wütend. »Warum dauert es denn so lange?«
»Nur noch eine Minute«, sagte der
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