Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
mich auch. Sagen Sie, Mr. Duff, kann ich vielleicht eine halbe Stunde weg? Ich muss nämlich noch etwas für meine Mutter erledigen.«
»Meinetwegen«, erwiderte Arnos seufzend. »Aber nur eine halbe Stunde, verstanden?«
»Klar, Mr. Duff.«
Bucky verschwand, die Hände in den Taschen. Sein Pfeifen schien hinter ihm zurückzubleiben und wehte durch das Büro wie eine verlorene Seele. Erst als sein Echo verklang, näherte Arnos sich dem Leichnam, zog das Laken zurück und betrachtete die Verletzung.
Es handelte sich tatsächlich um ein winziges Loch; trotz seiner vielen Fehler hatte der Junge doch scharfe Augen. Die eigentliche Ursache konnte verschiedenes sein; ein zertrümmertes Auto ist immer eine scheußliche Angelegenheit. Aber Arnos, aus keinem anderen Grund als bloßer Neugierde, untersuchte es gründlicher. Dann beschloss er festzustellen, ob sich noch irgendein fremder Gegenstand im Brustkorb befand.
Nach wenigen Augenblicken kam er zu dem Schluss, dass er recht hatte; der Gegenstand war zwar sehr tief eingedrungen, befand sich jedoch noch deutlich nachweisbar dort.
Er richtete sich auf, den Schock dieser Erkenntnis auf seinem Gesicht. Es war nicht das erste Mal, dass er diese Art von Verletzung gesehen hatte, und nur die Vielzahl anderer Verletzungen an Mr. Kesslers zerschundenem Körper war schuld, dass man sie bisher nicht beachtet hatte. Aber jetzt wusste er, dass diese Verletzung keineswegs belanglos war.
Es war ein Einschuss.
Im ersten Augenblick wollte er das Geschoß herausholen; aber dann überlegte er es sich anders. Auf dem Totenschein des armen Mr. Kessler waren Unfallverletzungen als Grund für sein Hinscheiden angegeben. Offenbar hatte das Auge des Leichenbeschauers jedoch nicht alles gesehen. Sollte man nicht die Polizei informieren? Oder zumindest Mr. – Mr. ...
Er versuchte, sich an den Namen seines Kunden zu erinnern. Foley! So hieß er. Er stellte sich Foleys hageres Gesicht und die schmalen Lippen vor. Ihm hatte der Mann nicht gefallen, noch bevor er erfuhr, welch geringen Betrag Foley für einen anständigen Abschied seines Teilhabers auszugeben bereit war.
»Bucky!« brüllte Arnos, aber dann fiel ihm wieder ein, dass Bucky weggegangen war. Er begab sich eilends in sein Büro und entdeckte dort auf seinem Schreibtisch den Aktenordner ›Kessler‹. Die Einzelheiten waren dürftig und befriedigten ihn keineswegs.
Er befand sich in einem erregten, aber angenehm aufgeregten Zustand, als Bucky eine Stunde später zurückkehrte. Bevor Bucky noch Gelegenheit hatte, sich zu entschuldigen, erteilte Arnos ihm einen Auftrag.
»Ich möchte, dass Sie sofort zur Times gehen«, sagte er. »Lassen Sie sich die Ausgaben vom neunten und zehnten März geben und sehen Sie nach, ob Sie den Artikel über Mir. Kessler finden. Über den Unfall.«
»Wozu, Mr. Duff?«
»Habe ich Sie schon gefragt, warum Sie atmen? Gehen Sie zur Times und suchen Sie den Artikel. Schreiben Sie ihn wörtlich ab und bringen Sie ihn dann her. Aber schnell!«
Bucky grinste und salutierte. » Oui, mon capitaine!«
»Verschwinden Sie!«
Bucky machte auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Tür. Arnos, allein gelassen, rutschte tiefer in seinen Drehstuhl, klopfte mit einem Bleistift gegen seine Zähne und überdachte die Möglichkeiten.
Zwei Stunden verstrichen, bis Bucky das brachte, was er haben wollte. Es war zwar nicht gerade ein Artikel, aber dennoch von großer Hilfe. Kessler war von einem Jagdausflug mit seinem Partner, Marvin Foley, nach Hause gefahren; beide wohnten in Scarsdale. Kessler war verwitwet und hatte keine Kinder. Foley behauptete, von den Scheinwerfern eines Lastwagens geblendet worden und von der Straße abgekommen zu sein. Glücklicherweise war er hinausgeschleudert worden, während Kessler im Wagen saß, als dieser gegen einen Aquädukt prallte.
Eine Folge köstlicher Überlegungen gingen Arnos durch den Kopf. Offensichtlich hatte Foley die Behörden angelogen. Auf einen Toten schießt keiner. War der ›Unfall‹ passiert, nachdem Foley in einem Anfall von Leidenschaft seinen Geschäftspartner bereits erschossen hatte? Und war es ihm dann gelungen, einen entsprechenden Unfall vorzutäuschen, um die wahre Todesursache zu verheimlichen? Oder war die ganze Geschichte bereits vorher gründlich geplant gewesen? ›Bestimmt‹, überlegte Arnos, ›wenn man an seine knappe Art und an die Worte denkt, die von seinen trockenen Lippen wie welkes Laub von einem schmächtigen kahlen Baum
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