Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
eine Zigarette.
Vernon zögerte, zuckte dann die Achseln und hielt ihm das Päckchen hin. »Warum auch nicht!« sagte er. »Wenn du alt genug bist, um hier zu sein...«
Benjy steckte sich die Zigarette an, und eine undurchdringliche Maske legte sich über seine jungenhaften Züge. »Sind Sie der Anwalt, den mein Alter ausgesucht hat?«
»Richtig. Ich heiße Vernon Wedge.«
»Wann komme ich hier heraus?«
»Bestimmt nicht vor der Verhandlung. Entlassung auf Kaution ist abgelehnt worden.«
»Und wann ist die Verhandlung?«
»Nur nichts überstürzen«, knurrte Vernon. »Über jede noch so kleine Verzögerung können wir nur glücklich sein. Glaube nicht, dass es so einfach ist.«
Benjy lehnte sich lässig zurück. »Ich habe den Kerl nicht abgestochen«, sagte er tonlos. »Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun.«
Vernon grunzte und zog einen Bogen mit handschriftlichen Notizen aus der Tasche.
»Du hast zugegeben, dass du Kenny Tarcher kanntest?«
»Klar habe ich ihn gekannt. Wir waren ein paarmal zusammen, in einem Bastelladen.«
»Man hat mir berichtet, Kenny wäre Mitglied einer Bande gewesen, die sich › The Aces‹ nennt. Hast du jemals damit zu tun gehabt?«
»Mit diesem Gesindel?« fauchte Benjy und stieß eine Rauchwolke aus. »Ich war ein Baron. Die Barons haben mit solchen Gaunern nichts zu tun. Wissen Sie, wen die alles in ihre Bande aufgenommen haben? Eine ganze Menge von...«
»Lassen wir das«, unterbrach Vernon ihn barsch. »Über dein geselliges Leben können wir uns später einmal unterhalten. Du warst also ein Baron und Kenny ein Ace; damit wart ihr natürliche Feinde. Im vergangenen Monat hattest du eine Prügelei, und dabei hat dieser Kenny Tarcher dich ziemlich versohlt. Irgendwelche Gründe brauchst du mir nicht zu erzählen; es ist doch immer die alte Geschichte.«
Benjys Mund zitterte. »Mr. Wedge, uns können Sie mit dieser Bande überhaupt nicht vergleichen! Sie kennen doch Mr. Knapp...«
»Den Jugendfürsorger? Ich war gerade bei ihm.«
»Er kann Ihnen alles über die Barons erzählen, Mr. Wedge.
Wir sind keine Gauner. Wir hatten sogar eine BasketballMannschaft und was weiß ich.«
Vernon unterdrückte ein Lächeln. »Warum hast du immer ein Messer bei dir, Benjy?«
»Es ist kein Klappmesser, Mr. Wedge. Es ist mehr ein Fahrtenmesser; ich meine, diese Messer werden überall verkauft. Ich brauche es zum Schnitzen und so.«
»Zum Schnitzen?« Es war schwer, den Hohn zu verbergen. Das Ende von Benjys Zigarette glühte auf – genauso wie sein Temperament.
»Sagen Sie mal – auf welcher Seite stehen Sie eigentlich? Ich habe Kenny nicht abgestochen. Das muss jemand anders gewesen sein! Ich schwöre, dass ich ihn nicht umgebracht habe!«
»Immer schön langsam. Ich erhebe hier keine Beschuldigungen, mein Junge. Das ist Aufgabe des Gerichts. Du kannst dich ruhig wieder abregen. Ich gehe nur die ganze Geschichte durch, und zwar vom Standpunkt der Polizei, und du kannst dann immer sagen, wo die Geschichte falsch ist. Bei jeder Kleinigkeit – verstanden?«
Benjy schluckte. Dann nickte er.
»Es war am einundzwanzigsten Juni, zehn Minuten vor Mitternacht«, sagte Vernon und beobachtete ihn dabei. »Mit zwei anderen Burschen gingst du die Thurmond Street entlang; ihr kamt aus dem Kino. Kenny Tarcher verließ in diesem Augenblick das Haus Ecke Thurmond Street und Avenue C. Ihr gerietet aneinander und fingt an, euch zu prügeln. Und im nächsten Augenblick rennst du mit deinen Freunden weg. Kenny fällt hin und versucht kriechend den Hauseingang zu erreichen. Auf der Treppe saßen zwei Leute. Diese beiden Leute haben euch weglaufen sehen. Sie sahen aber auch, wie Kenny unmittelbar vor ihnen starb. Er hatte eine zwanzig Zentimeter lange klaffende Wunde im Bauch...«
Benjy sah aus, als wäre ihm übel.
»Zehn Minuten später entdeckte dich die Polizei im Öllager deines Vaters an der Chester Street. Das Messer hattest du noch in der Tasche.« Er schwieg.
»Ich habe ihn nicht abgestochen«, sagte der Junge verbissen. »Alles andere an der Geschichte stimmt. Aber wer Kenny abgestochen hat, weiß ich nicht.«
Wer waren die beiden, mit denen du zusammen warst?«
»Ich hatte sie noch nie gesehen. Wir haben uns im Kino kennengelernt.«
»Mach mir doch nichts vor!«
»Was, verdammt noch mal, wollen Sie eigentlich von mir?« brüllte Benjy. »Ich habe Ihnen gesagt, dass ich diese Kerle nicht kenne! Einer der beiden muss es getan haben – ich jedenfalls war es nicht! Als ich
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