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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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bieten.
    Wie vermutet, hatte er alles
mitgekriegt, was die drei Arbeiter und ich am Abend vorher erzählt hatten.
Genauso wie er den Vorarbeiter Rieussec in der
Werkstatt hatte sagen hören, daß ich Demessy suche
und in Firmins Bistro warte. Cherif selbst war nicht angesprochen worden.
Erstens war er mit Demessy nicht so eng befreundet
wie die andern drei, und zweitens werden „dreckige Araber“ bei uns manchmal wie
Luft behandelt. Aber Cherif wußte was von Demessy ,
was die anderen nicht wußten. Und deshalb war er auch zur Place Balard gegangen, um zu sehen, woher der Wind wehte. Als ich
dann alleine zurückgeblieben war, hatte er sich nicht entschließen können, mich
anzusprechen.
    „Man weiß nie, wie jemand
reagiert. Verstehst du, mein Freund?“
    „So kompliziert ist das bei mir
nicht. Ob Türke, Maure oder sogar einer aus der Auvergne — ist mir völlig egal. Vorallem , wenn ich beruflich unterwegs bin.“
    Das konnte Cherif natürlich
nicht wissen. Also hatte er mich weggehen lassen. Dann aber hatte er hin und
her überlegt. Hatte sich schließlich gesagt, warum eigentlich nicht, hm? Wenn
dabei am Ende was rausspringt... Allerdings... drei Riesen, das war nicht grade
‘ne fette Beute, seiner Meinung nach. Er hatte mit mehr gerechnet. Vor allem,
weil er doch noch so gut wie die Hälfte abgeben mußte, an einen Freund.
    „Wieso das?“
    „Ich bin nur ‘n Araber, mein
Freund...“
    Er konnte nicht lesen. Mußte
sich überhaupt mit einigem hier bei uns rumschlagen. Aber er kannte einen, der
mal ‘n paar Monate zur Schule gegangen war. Der hatte ihm geholfen, meinen
Namen im „ Postbuch “ zu finden. Und das kostete
natürlich ‘ne Kleinigkeit.
    „Dreitausend“, sagte ich.
„Keinen Sou mehr. Ob da nun noch ‘ne ganze Sippschaft dranhängt oder nicht.“
    „Aber die Erbschaft...“
    „Dummes Zeug!“
    „Was?“
    „Ja.“
    „Worum geht’s denn dann?“
    „Soll dir egal sein. Also, die
Adresse!“
    An dem Tag, nachdem Demessy die Arbeit hingeschmissen hatte, hatte er ihn in
der Rue de Vaugirard getroffen. Cherif hatte seinen
Augen nicht getraut: Demessy war nicht
wiederzuerkennen, ausstaffiert wie ein Lord. Das konnte doch nicht Demessy sein! Bestimmt nur einer, der ihm ähnlich sah. Oder
‘n Zwilling! Cherif war dem eleganten Herrn gefolgt.
    (Ich vermutete, weil er ihm ans
Portemonnaie wollte; aber der Araber protestierte entrüstet.) Demessy oder sein Doppelgänger hatte ihn in die Rue Payen geführt.
    „Rue Payen ?“
    „Etwas weiter unten“, erklärte
der Araber. „Zur anderen Brücke, Pont Mirabeau. Das dritte oder vierte Haus
rechts, wenn man von der Avenue Emile-Zola kommt, zwischen Avenue Emile-Zola
und Rue de Javel , da ist die Rue Payen .“
    „Cherif, du wärst ‘n
erstklassiger Fremdenführer“, lachte ich. „Am besten, wir gehen zusammen hin.
Es sei denn, du legst keinen besonderen Wert darauf...“
    Er rutschte auf seinem Stuhl
hin und her.
    „Verstanden“, sagte ich. „Du
hast geblufft.“
    „Ich schwöre, mein Freund.“
    Verdammt, fügte er erklärend
hinzu, er frage sich, ob er da nicht gerade ‘n Riesenscheiß verzapfe.
Schließlich sei Demessy von zu Hause abgehaun , habe seine Arbeit hingeschmissen und alles. Und wenn
er, Cherif, ihn nun wie einen Pascha wiedertreffe... Wisse er, was
dahinterstecke? Die Erbschaft wär ‘ne Erklärung gewesen. Aber so... Das ändere
alles. Wirklich beschissen, sich in so was einzumischen... und das für
fünfzehnhundert oder vielleicht dreitausend.
    Seine Sorge schien echt.
Vielleicht war sie die Garantie für den Wert der Information.
    „Aber, aber“, beruhigte ich
ihn, „warum denn gleich diese Angst, mein Lieber? Wovor denn? Hab gehört, daß
ihr euch seit den Geschichten in Algerien öfter mal in die Haare kriegt, so
unter Glaubensbrüdern. Aber Demessy ist Europäer,
also sozusagen nicht im Rennen.“
    „Manchmal sind die am
schlimmsten.“
    „Du meinst Europäer, die in
nordafrikanischen Organisationen mitmischen?“
    „Ja.“
    „Da kann ich nur lachen! Demessy kümmert sich ‘n Scheißdreck um Politik, ob in
Nordafrika oder der Moldau-Walachei.“
    „Jedenfalls wohnt er — nicht
ständig, aber hin und wieder — im Bistro-Hotel eines Mohammedaners.“
    „Im Ernst?“
    „Ganz offiziell. Hab selbst
auch mal da gewohnt. Und ich kenne ‘ne Menge Landsleute, die noch da wohnen.
Daher weiß ich, daß Demessy ein Zimmer hat, Zimmer
10, das beste... für sich ganz alleine. Die andern steckt Ahmed — das ist

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