Ein Clochard mit schlechten Karten
auch für die Mieter des Hinterhauses. Ein
Bastardhaus, ein Mischmasch sowohl in Bezug auf seine Konstruktion als auch auf
seine Mieter und Verwendung. Zur Hälfte Hotel, zur anderen nicht. Zur Hälfte
Araber, zur Hälfte Europäer.
Ich ging zur Treppe zurück und
stieg hinauf, die Hand auf dem klebrigen Geländer. Oben war keine Musik mehr zu
hören, dafür Schnarchen und Bettgequietsche . Ich riß
ein Streichholz an. Links und rechts Türen. Der Fußboden war zum letzten Mal
für die Art- Déco -Ausstellung
gebohnert worden. Es stank wie im Mülleimer. Im Schein des zweiten
Streichholzes sah ich die Nummer 10, mit Kreide auf die Tür gemalt. Der neue
Schlüssel steckte nackt im Schlüsselloch. Ohne Anhänger oder Nummer. Demessy war also in seinem Zimmer, seinem neuen Zuhause.
Ich lauschte. Auf der anderen Seite der Tür meinte ich so was wie ‘n Stöhnen zu
hören, gefolgt von Rascheln oder Knistern. Hätte es aber nicht beschwören
können. Ich öffnete die Tür.
Im Zimmer brannte kein Licht.
Von draußen schien eine Laterne durch das nackte Fenster herein. Ich erkannte
auf dem Eisenbett einen menschlichen Körper, zum Teil bedeckt mit einer Decke,
die auf den Boden herunterhing.
Abgehacktes, keuchendes Atmen
war zu hören. Ich trat ans Bett. Zu der ungesunden Luft gesellte sich ein
beißender, muffiger Geruch. Ich spürte in meinem Rücken etwas Fremdes und... Zu
spät! Ein stumpfer Gegenstand sauste auf das nieder, womit ich hauptsächlich
arbeite. Ich fiel nach vorne, obwohl ich den Schlag instinktiv hatte kommen
fühlen und mein Gegner nur halbherzig zugeschlagen hatte. Mit letzter
Anstrengung versuchte ich, etwas zu packen, was in meiner Reichweite war. Ein
Bein, glaube ich. Aber das Bein war schneller als meine Hand. Ich griff ins
Leere. Die Tür knallte zu. Das Echo hallte in meinem Schädel wider. Ich lag mit
dem Ohr auf dem Boden, wie eine Rothaut im Western. Mehr benommen und verblüfft
als knockout oder tot, hörte ich das Klappern von Absätzen auf der Treppe, das
immer schwächer wurde.
Wie betäubt stand ich auf,
lehnte mich gegen eine Wand und versuchte, wieder zu mir zu kommen. Zwei
Schritte von mir entfernt entdeckte ich einen dunklen Fleck. Mein Hut. Ich
betrachtete ihn, ohne ihn zu sehen. Der Mensch auf dem Eisenbett hatte sich
nicht gerührt. Die Matratze war so platt wie ‘ne Wanze. Ich holte zur Vorsicht
meine Kanone raus und beugte mich über den Körper. Es war hell genug, um seine
Gesichtszüge nicht mit einer Kaffeetasse zu verwechseln. Paul Demessy . Oder einer, der ihm verdammt ähnlich sah.
Allerdings... Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war sein Gesicht nicht
so blaß und ausdruckslos gewesen. Na ja, seitdem... Übel für ihn. Sehr übel.
Verdammt übel. Immerhin nahm die Sache für mich jetzt Gestalt an. Um mich herum
wurde gestorben. Die stumpfen Gegenstände bezogen Stellung. Grund genug, sich
an die Arbeit zu machen.
Demessy war tot. Mausetot .
Na also!
Mir blieb nichts anderes übrig,
als aus der Situation das Beste zu machen. Ob ich jetzt sofort abhaute oder
etwas später... Da ich schon mal hier war... Und was ich vorhatte, würde keine
Ewigkeit dauern.
Ich ging zur Tür. Hoffentlich
hatte mich der Kerl nicht mit der Leiche eingeschlossen. Nein, hatte er nicht.
Ich zog die Tür am Riegel auf. Der Schlüssel steckte noch. Ich zog ihn raus und
horchte. Verschiedene Geräusche, ganz gewöhnliche, ohne Bedeutung. Geräusche,
die ich vorher auch schon gehört hatte. Sonst nichts. Ich ging ins Zimmer
zurück und schloß von innen ab.
Das Fenster zeigte auf die
Straße. Direkt gegenüber sah ich das spitze Dach des Holzkohlenlagers,
verlassen, leblos. Vor neugierigen Blicken brauchte ich keine Angst zu haben.
Also konnte ich Licht machen. Hing in dem Zimmer überhaupt eine Birne? Ich
suchte den Schalter. Diesmal fand ich einen. Ich knipste das Licht an. Das
übliche blutarme, gelbliche Licht. Diese Lampen scheinen von Schlafmützen
fabriziert zu werden, wie geschaffen für Absteigen wie diese.
Ich überwand meinen Ekel und
ging zu Demessy zurück. Besser gesagt, zu dem, was
von ihm übriggeblieben war. Nachdem ich die schäbige Decke ganz weggezogen
hatte, konnte ich sehen, wie gut er gekleidet war. Man mußte es zugeben. Heller
Prince- of -Wales-Anzug, maßgeschneidert. Fertig zum
Einsargen. Ich sah nach, was ihm eigentlich zugestoßen war. Geronnenes Blut
verunzierte die Schlummerrolle. Unmöglich zu bestimmen, seit wann es geronnen
war. Blut auf dem Laken, in
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