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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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der patron — zu fünft oder sechst in ein einziges
Zimmer.“
    „Zimmer 10? Du weißt ja richtig
Bescheid!“
    „Hab mich genau erkundigt.
Wollte Ihnen vollständige Informationen liefern. Aber ich hab mit mehr als
dreitausend gerechnet...“
    „Hier“, sagte ich und gab ihm
drei Scheine. „Ich glaube dir. Wenn’s nicht stimmt, hab ich eben Pech gehabt.“
    „Es stimmt.“
    „Großer Gott! Was hat Demessy in einem Araberlokal verloren? Und dann gekleidet
wie ein Prinz!“
    „Keine Ahnung.“
    „Vielleicht versteckt er sich?“
    „Keine Ahnung.“
    Ich dachte kurz nach.
    „Na ja, ich werd’s ja bald erfahren. Zimmer 10, hast du gesagt?“
    „Ja.“
    „Und man muß durchs Bistro
gehen?“
    „Nein. An der Seite ist eine
Treppe.“
    Ich konnte es ja mal probieren.
     
    * * *
     
    Erst einmal sah ich mir das
besagte Bistrotel vom Steuer meines Dugat aus an. Das trübe Licht fiel giftgrün auf den Bürgersteig,
grade mal bis zur Bordsteinkante. Ich fuhr langsam zu dem Teil der Rue Payen , der rechtwinklig in Richtung Seine abknickt. Dort
standen ‘ne Menge Autos. Hinter einem zweifarbigen amerikanischen Wagen, der
wie ein Heiligenschrein ausgeschmückt war, fand ich einen Parkplatz.
Hoffentlich schämte sich der Besitzer des modernen Schlittens für meine alte
Karre. Zu Fuß ging ich zurück zum Bistro.
    Die Scheiben des Lokals waren
nicht aus Mattglas, sondern lange nicht mehr geputzt worden. Dennoch versuchte
ich, im Vorbeigehen einen Blick hineinzuwerfen. Eine lahme Funzel bemühte sich,
den niedrigen Thekenraum mit den schmutzigbraunen Wänden zu beleuchten. Hinter der Theke thronte ein aschgrauer Fettsack.
Majestätisch wie ‘n überreifer Camen-bert und ausdrucksvoll
wie ‘n Tortenheber. Wahrscheinlich der besagte Ahmed. An einem braunen
Holztisch neben dem qualmenden Ofen spielten drei nachdenkliche Araber Domino.
Offensichtlich kam man von dem Lokal tatsächlich nicht in das Treppenhaus, wie Kahil Cherif gesagt hatte.
    In dieses Treppenhaus gelangte
man durch eine Tür mit abgerissenem Riegel, gleich rechts neben dem Bistro.
Wider Erwarten quietschte die Tür nicht zu laut in den Angeln. Um so besser. Ich legte keinen
Wert darauf, Ahmeds Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Und Demessys auch nicht. Ich wollte ihn überraschen. Wenn er sich so seltsam benahm... Ich
konnte das auch.
    Was hatte er in diesem
schäbigen Hotel zu suchen? (Auch wenn er nur hin und wieder suchte, wie mein
Informant sagte). Schließlich sang hier nicht die Braut von Mecky Messer aus der Dreigroschenoper ihr Lied
     
    ... und sehen Sie meine
Lumpen
    und dies lumpige Hotel ...
     
    Erstens trug er keine schäbigen
Kleider. Im Gegenteil. Völlig neue Klamotten. Wenn das stimmte, entfernte ich
mich in Windeseile von einer einfachen Eheflucht.
    Ich trat in das übelriechende
Dunkel des Treppenflurs und tastete nach dem Lichtschalter. Fehlanzeige. Dafür
waren die Wände feucht. Ich ging den schmalen Flur entlang. Keins der um diese
Zeit üblichen Geräusche war im Haus zu hören. Vielleicht waren Ahmeds Gäste
noch nicht aus den Fabriken zurück. Irgendwo versuchte ein krächzendes Radio
durch Cembalomusik etwas Atmosphäre zu schaffen. Aber das Wahre war’s nicht.
Von draußen drang gedämpfter Lärm zu mir. Kilometerweit entfernt, schien es.
Dabei war die Avenue Emile-Zola mit ihrem Verkehrslärm nur einen Steinwurf weit
entfernt. Hinzu kamen die dumpfen Geräusche der Bahnlinie Versailles-Invalides
zwischen Seine und Quai de Javel . Die Seine floß
sanft unter dem Pont Mirabeau hindurch, zusammen mit einigen anderen Dingen,
wenn man dem Dichter glauben darf. Kurz gesagt, eine ziemlich triste Gegend.
Wie der Hausflur hier. Fragte mich, ob dieser Schlauch jemals ein Ende hatte.
Er hatte eins. Mein Fuß stieß gegen einen anderen, den einer Treppe. Jetzt
konnte man auch das Radio besser hören. Ein kühler Wind schlug mir entgegen.
Gleich hinter der Treppe machte der Flur einen Knick, und es ging auf den Hof
hinaus. Ich erkannte ein zweistöckiges Gebäude. Dort herrschte offensichtlich
ein anderes Klima. Die meisten Fenster waren hell erleuchtet. Aus einer der
Wohnungen kam die Cembalomusik samt Nebengeräuschen. Ich begriff, warum der
Flur hier allgemein zugänglich war. Zuerst hatte mich das etwas beunruhigt,
zugegeben. Ich verstand zwar nicht, warum man mich hier in einen Hinterhalt
hätte locken sollen; aber es gibt soviel im Leben,
was man nicht versteht...
    Dieser Flur war also nicht nur
für Ahmeds Gäste da, sondern

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