Ein Clochard mit schlechten Karten
Telefon. Machte ein Gesicht wie ‘n Märtyrer. Als
sie mich sah, seufzte sie erleichtert auf.
„Bleiben Sie dran“, sagte sie
in die Muschel. Und zu mir: „Gott sei Dank, Chef. Sie kommen grade richtig!“
Sie gab mir den Hörer. „Vielleicht werden Sie besser mit ihm fertig. Ich
versteh kein Wort von dem, was der Erdnußverkäufer da
zusammenquatscht...“
Erdnuß Verkäufer stimmte nicht so
ganz. Kahil Cherif war ein Kollege von Demessy , bei Citroën. Der Kerl schien auch schon über die
berühmte Erbschaft Bescheid zu wissen. Und wenn ich gerne Geld in Umlauf
bringen wolle... War gar nicht so einfach, aus seinem Kauderwelsch schlau zu
werden. Aber mit viel Geduld... Wir verabredeten uns für sechs Uhr im Bistro- tabac , Place Fernand- Forest ,
Ecke Rue Linois , direkt gegenüber vom Bal de la Marine. Sah aus, als gehörte das Tanzlokal zu
Citroën.
* * *
Sechs Uhr. Ich saß vor ihm.
Hatte ihn sofort erkannt.
Kahil Cherif war ein schmaler
Araber. Nase, Lippen, Schnurrbart, Kinn, Blick, alles an ihm war schmal und
spitz. Sogar — und vor allem — die Ohren. Er war der Kerl, der gestern abend zusammen mit Bouscat & Co. in das Bistro an der Place Balard gekommen war und sich sofort still und unauffällig
an die Theke gesetzt hatte. Unauffällig genug, um unser Gespräch belauschen zu
können. Und zum Schluß hatte er mich sagen hören, mein Name sei im Telefonbuch
zu finden. Ich weiß nicht, ob er die ganze Nacht gebraucht hatte, um meine
Telefonnummer rauszusuchen, aber gefunden hatte er sie. Und deshalb saß ich
jetzt vor ihm.
„So sieht man sich wieder!“
bemerkte ich.
Er lächelte schwach. Ein
Kellner kam und fragte mich nach meinen Wünschen. Ich bestellte einen Aperitif, Cherif noch einen Kaffee.
Wir kamen schnell ins Gespräch.
Der Einfachheit halber übersetze ich das, was der Araber von sich gab.
„Ich brauche Geld“, begann er.
„Das geht allen so“, stellte
ich fest.
„Bei mir ist das was anderes.
Ich habe Ausgaben.“
Daran zweifelte ich nicht. Seit
einiger Zeit wurden Araber ständig von Organisationen angepumpt. Und das im
Namen der erhabensten Prinzipien, die man sich denken kann. Allerdings war das
schon immer und überall so. Die metaphysischen Schnorrer kennen weder
Unterschiede des Klimas noch der Rasse.
„Schön“, sagte ich. „Sie
brauchen also Geld. Und wogegen wollen Sie’s eintauschen?“
„Gegen Informationen über Demessy .“
„Das haben Sie mir schon am
Telefon gesagt. Was für Informationen?“
„Seine Adresse.“
„Kenn ich schon.“
„Nein.“
„Rue de la Saïda .“
„Nein, eine andere.“
„Welche?“
Er legte die Hand auf den
geäderten Marmortisch, die Handfläche nach oben. Eine dunkelbraune, schmale
Hand. „Erst die Kohlen.“
Ich zeigte guten Willen und
holte fünfhundert Francs raus. Er schüttelte den Kopf.
„ Denkste !“
sagte er, jetzt völlig akzentfrei.
„Wie, denkste ?“
„Nicht genug.“
„ Denkste !“
sagte ich nun meinerseits und steckte die Scheine wieder ein. „Du bist ein
kleiner mieser Gauner, mein lieber Freund. Du erzählst dummes Zeug. Leere
Versprechungen. Und die willst du auch noch verkaufen. Du weißt genausowenig wie ich, wo sich Demessy rumtreibt. Ich kann zwar etwas Geld verschenken, aber keine Mengen. Und vor
allem hab ich keine Zeit zu verschenken. Schon blöd genug von mir, überhaupt
hierher zu kommen. Fahrt, Getränke... Kostet alles. Das hast du dir hübsch
ausgedacht, heute nacht .
Aber so läuft das nicht.“
„Ich schwör’s dir, mein Freund.“
„ Denkste !“
sagte ich wieder. „Hör mir mal gut zu. Ich kann dreitausend ausgeben für Demessys neue Adresse. Vorausgesetzt, er hat im Moment
eine. Tausendfünfhundert, wenn du die Adresse nennst. Den Rest, wenn ich’s
nachgeprüft habe. Wenn er inzwischen abgekratzt ist, gehören die
fünfzehnhundert trotzdem dir. Überleg dir’s. Tu es oder lass es. ‘n Blödmann
bin ich sowieso. Du kannst mir irgendeine Adresse nennen, und ich bin mein Geld
los. Ist mir völlig klar. Aber man soll auch mal das Böse herausfordern. Frisch
gewagt ist halb gezahlt.“
Mein Gegenüber dachte darüber
nach. Ich hatte wohl den richtigen Ton getroffen.
„Einverstanden“, sagte er nach
einer Denkpause.
Dann hielt er seine Rede — ,Wir wollen doch nicht länger um den heißen Brei
herumreden’, nicht wahr?, begann er einerseits, um mein Vertrauen zu gewinnen
und mir seinen guten Willen zu zeigen, andererseits, um mir was für mein Geld
zu
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