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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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Gott!“ flüsterte Jeanne.
„Und Sie haben geglaubt... Sie glauben...“
    „Ich hab’s geglaubt. Jetzt
nicht mehr. Na ja, ich weiß nicht so recht. Vielleicht ist es ja nur Zufall.
Aber Sie müssen doch zugeben, daß ich der Spur folgen mußte... Das Parfüm, das
Klappern der Absätze auf der Treppe... Klar, es gibt noch andere, die einen
solchen Krach veranstalten und sich mit der Nr. 13 zuschütten... zur Freude des
Herstellers... Doch Sie kannten Demessy . Sie beteuern
zwar, nicht seine Geliebte gewesen zu sein, aber weiß ich’s? Und dann wollten
Sie mich gestern nacht verführen... na ja, so’n ganz klein wenig jedenfalls.
Vielleicht halten Sie mich für’n schwierigen Fall,
aber ich muß Ihnen sagen, der Kuß hat mir nicht gefallen...“
    Sehr schnell beruhigte sie sich
wieder, hatte sich sofort wieder in der Gewalt. Schneller, als ich vermutet
hätte.
    „Entschuldigen Sie“, sagte sie
sachlich. „Soll nicht wieder vorkommen. Ich werde nicht mehr so impulsiv
reagieren.“
    „Sind Sie impulsiv?“
    „Wird erzählt.“
    „Seien Sie froh! Die feine Dame
in Demessys Hotel hat jedenfalls kaltblütig reagiert.
Ist mir übrigens schwergefallen, Ihnen diese Rolle zuzutrauen. Auch wenn Sie in
der Nähe des Schlachthofs wohnen, so stark kann das doch nicht abfärben...!
Aber zurück zu der schlagkräftigen Frau... Sie hatte zwar eine Kanone, benutzte
sie aber als Schlagstock. Und dann noch ‘n Kleiderhaken ins Kreuz...“
    „Kleiderhaken ins Kreuz?“
    „Ja, hätte meinen Hut
dranhängen können. War aber in Wirklichkeit der Griff von dem Messer, das...“
    Meine Erläuterung ließ die Kleine
endgültig die Augen verdrehen. Als sie mit meiner Hilfe wieder zu sich kam,
fuhr ich fort:
    „Tja, so war’s. Verzeihen Sie,
daß ich Ihnen so eine Schweinerei zugetraut habe. Allerdings... wenn Sie
diejenige welche wären... das hätte mir meine Arbeit sehr erleichtert... Jetzt
kann ich’s entweder aufgeben — dann werden wir nie erfahren, warum er sich in
seinen letzten Lebenstagen so seltsam benommen hat, was mir sehr gegen den
Strich ginge — oder wieder von vorne anfangen... wenn das überhaupt noch Sinn hat.
Aber trotzdem... Ich bin froh, daß Sie’s nicht waren. Sie sind mir nämlich
sympathisch.“
    Sie lächelte schwach:
    „Außer wenn ich Sie küsse.“
    „Das hab ich nicht gesagt.“
    „Was denn sonst? Haben Sie
nicht gesagt, daß mein Kuß Ihnen nicht gefallen hat?“
    „Weil ich dachte, Sie hätten
ihn als Versuch eingesetzt, meinen Verstand lahmzulegen. Angenehm war er mir
schon, nur gefallen hat er mir nicht. Sie können sich ja die Version
raussuchen, die Ihnen besser gefällt.“
    „Sie machen’s verdammt
kompliziert.“
    „Ich fühl mich immer nur wohl,
wenn’s so richtig kompliziert wird. Und dabei... könnte manchmal alles so
einfach sein... so einfach...“
    Ich nahm sie in meine Arme und
preßte meinen Mund auf ihre Lippen. Ihr junger Körper zitterte. Sie erwiderte
meinen Kuß. Als sie sich losmachte, hingen Tränen an ihren Wimpern.
    „Aber es ist nicht so einfach“,
murmelte sie. „Was werden Sie jetzt von mir denken?“
    „Daß Sie ein tolles Mädchen
sind, lieb, süß, gutaussehend, einfach ganz entzückend. Reicht das?“
    „Sie sind nett. Wissen Sie,
gestern... als Sie mich nach Hause gebracht haben... na ja, Sie haben mir so
nette Sachen gesagt, und deshalb...“
    „Ich sag immer nette Sachen.
Außer wenn ich fluche und grob werde... Ansonsten...“
    Ich sah auf meine Uhr.
    „Schon nach neun“, stellte ich
fest. „Haben Sie keinen Hunger?“
    „Nicht besonders.“
    „Ich auch nicht. Aber ‘ne
Kleinigkeit könnten wir wohl vertragen. Dies hier ist ein Büro, die Agentur
Fiat Lux. Aber hinten gibt es so was wie ‘ne Küche... mit einem Wandschrank, in
dem immer irgendwas rumliegt... Schinken, Zwieback...“ Ich legte alle
verfügbaren Vorräte für einen kleinen Imbiß zurecht.
Mit langen Zähnen fingen wir an zu essen.
    „Ich möchte aber trotzdem noch
mal kurz auf Demessy zurückkommen“, sagte ich.
„Erzählen Sie mir von ihm, irgendwas... was Sie von ihm wissen. Wenn’s geht,
ohne zu erfinden. Vielleicht hilft mir das weiter. Zum Beispiel... Sie haben
immer mal zusammen geplaudert, wenn Sie sich zufällig trafen. Und sogar ein
Geschenk hat er Ihnen gemacht...“ Sie schlug sich mit der Hand vor den Mund, um
einen Schrei zu unterdrücken.
    „Mein Gott!“ flüsterte sie.
„Diese Frau... Ich weiß, wer sie ist.“
    „Was?“
    „Na ja, so ungefähr.

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