Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
gleichzeitig vor der Sonne schützen wird. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen.
Mein roter Seidenkimono ist geradezu perfekt, hoffe ich. Zumindest versuche ich, mir dies einzureden. Die Vorstellung, etwas zu tragen, was auf jeden Fall ein Blickfang ist, gehört zu meiner Werbestrategie. Natürlich spielt der Kimono in einer ganz anderen Liga als die normalen Vintagekleider, die ich tagtäglich trage. Auch in meinem Kimono ist kein Größenetikett eingenäht, weshalb ich mich darin sehr schlank fühle. Eigentlich hätte ich gern ein Kleid aus den Fünfzigerjahren angezogen, das bunt bedruckt ist (vielleicht mit Ananasfrüchten oder Teekannen). Doch diese Kleider sind alle zu Abendtäschchen, Gürteln oder Halsketten verarbeitet worden.
Ich verlasse das Haus und betrete die Straße. Die Hitzewelle, wie die Dorfbewohner das warme Wetter bezeichnen, hat erst vor ein paar Tagen begonnen. Dennoch sieht The Green relativ mediterran aus, als ich mit einer Schubkarre, die bis zum Rand gefüllt ist, die Straße hinunterlaufe. Dabei stelle ich mir vor, eine italienische Modedesignerin zu sein, die über von Bäumen gesäumte Wege durch die Toskana schlendert.
»Was sollen die Mädchen und ich tun?«, brüllt Adi mir hinterher. »Dir ist schon klar, dass man für diese motorisierte Schubkarre eine Genehmigung braucht?«, fährt er fort und beäugt mich und die Schubkarre skeptisch. Mein toskanischer Tagtraum kommt zu einem jähen Ende.
»Ihr müsst einfach nur zum Markt kommen und viel Geld ausgeben«, rufe ich zurück. »Außerdem könntest du Hannelore helfen, die Kuchen ins Auto einzuladen. Vielleicht kannst du auch noch ein paar zusätzliche Kuchenplatten einpacken. Ach, ja, und die Mädchen könnten ihre Miniaturgärten mitbringen!«, brülle ich über die Straße hinweg.
»Welche Miniaturgärten?«, schreit Adi. Da höre ich aber schon Lillys Antwort.
»Daddy, ich weiß Bescheid. Daisy und ich haben sie für den Wettbewerb gemacht. Überlass das ruhig mir.«
Heute Morgen verstehe ich, warum Reedby im Norfolk-Touristenführer erwähnt wird. Es ist noch früh, und die Luft ist schon schwül. Unter einem wolkenlosen Himmel wandere ich durch eine wahre Bilderbuchlandschaft. Ich bleibe stehen und muss über mich selbst lachen, wie ich hier in Flip-Flops, die mit großen, selbstgenähten Stoffblumen verschönert sind, und einem Kimono die mit Accessoires vollbeladene Schubkarre durch die Gegend schiebe. Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass ich meine Kleidung so ernst genommen habe? Und warum ist das überhaupt so? Überrascht stelle ich fest, dass ich die Trauer um meine Vintagekleider überwunden und nun eine andere Rolle angenommen habe: die der Landfrau! Na ja – wenn auch heute im japanischen Stil.
Plötzlich merke ich, dass sich irgendetwas unter der Schubkarre verheddert hat. Ich halte an und sehe nach; dabei entdecke ich, dass sich um das Rad der Karre eine Girlande aus Fähnchen und Wimpeln gewickelt hat, mit denen die gesamte Straße geschmückt ist. Ich fasse es nicht! Ich schaffe es nicht einmal, unfallfrei eine Schubkarre zu schieben – vielleicht bin ich als Landfrau doch nicht so geeignet!
»Laura, lass mich dir helfen!«, ruft Chris, der in Flip-Flops die Straße hinuntergelaufen kommt. Er lächelt mich strahlend an mit einem Ausdruck, der mir sagt, dass mit mir immer noch alles in Ordnung ist und ich noch nicht zu jener Gruppe Frauen gehöre, die man übersieht. Ich erinnere mich an Charlottes Worte: »Mit zwanzig macht man sich noch Gedanken, was andere über einen denken. Mit Vierzig schert man sich nicht mehr darum, und mit sechzig merkt man mit einem Mal, dass sich niemand mehr für einen interessiert – erst dann ist man wirklich frei.«
»Tut mir leid, ich habe nicht aufgepasst, wohin ich fahre. Ich habe mich von den Pflanzen und Bäumen ablenken lassen«, füge ich hinzu und hoffe, dass er versteht, was ich meine. Lieben die Buddhisten nicht das Naturerlebnis?
» Na, du bist heute ganz Madame Monet, nicht wahr?«, begrüßt er mich mit einem Kuss auf die Wange.
Ich lächele, runzele aber gleichzeitig auch die Stirn, da ich nicht genau weiß, was er damit meint.
»Du siehst aus wie Madame Monet in ihrem gewagten roten Kimono. Du musst das Gemälde doch kennen! Kannst du dich denn gar nicht mehr an die Vorlesung von Naomi Green erinnern? Die Expertin für Impressionismus? Japanische Mode und Muster waren doch im Paris des neunzehnten Jahrhunderts der letzte Schrei! Obwohl
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