Ein Cowboy aus Manhattan
der Professor, blinzelte in
die Sonne, als hätte er gerade ein Nickerchen gehalten. Ich bohrte ihm
freundschaftlich den Revolverlauf in den Magen und lächelte aufmunternd.
»Hallo, Walt«, sagte ich. »Was
gibt’s Neues von Willie?«
»Willie?« Er zwinkerte wieder.
»Seit gestern abend habe ich von Willie nichts mehr
gesehen oder gehört. Warum?«
»Ich war nur neugierig«, sagte
ich. »Ist er auch bestimmt nicht drin und pflegt seinen verbeulten Kopf?«
»Bestimmt nicht. Was ist
eigentlich los, Boyd?«
»Ein freundschaftlicher Besuch,
eine kleine Plauderei, mehr nicht«, sagte ich. »Aber wenn ihr grundlos so
rabiat werdet, muß mich schon ein Besuch nervös machen.« Ich bohrte den Lauf
ein bißchen tiefer in seinen Magen. »Warum gehen wir nicht hinein?«
Ich überprüfte das Haus, Zimmer
für Zimmer, bestand darauf, daß Walt vor mir ging, damit er etwas über den
Schädel bekam, wenn Willie doch irgendwo lauem sollte. Aber von Willie war
nichts zu sehen. Ich glaubte nicht, daß er gestorben war. Dafür war er zu hart
im Nehmen. Aber vielleicht plagte er sich jetzt in den Bergen mit einer kleinen
Gehirnerschütterung herum, und das geschah ihm ganz recht.
»Ich habe Ihnen doch gesagt,
daß Willie nicht da ist«, brummte Walt. »Können Sie nicht die verdammte Knarre
wegstecken?«
»Na schön«, sagte ich und
steckte sie ein. »Ich habe nachgedacht. Vielleicht habe ich die ganze Sache
falsch angefangen?«
»Was soll denn das?« grunzte
er.
»Ich hatte ursprünglich
angenommen, daß Sie — und Willie — Joe Hill ermordet haben«, sagte ich.
»Deshalb werden Sie nervös, wenn der Name fällt. Aber es gibt noch eine andere
Möglichkeit Joe Hill ist verschwunden, und Sie haben keine Ahnung, wohin.«
»Und?«
»Sie hätten bestimmt schon nach
ihm gesucht. Jetzt brauchen Sie ihn nämlich unbedingt. Tyler Morgan muß wissen,
daß Joe Hill gesund und munter ist, nicht wahr?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon
Sie reden«, fuhr er mich an. »Joe ist in Nevada und erledigt dort seine
Geschäfte. Er kommt in ein paar Tagen zurück.«
»Gestern hat Willie von mir
verlangt, daß ich einen Brief an Tyler Morgan schreibe und ihm versichere, daß
Joe Hill noch lebt«, sagte ich. »Und dann wollte er mich umbringen, weil ich
überflüssig war. Eigentlich wäre es doch einfacher gewesen, Joe Hill aus Nevada
zurückzuholen.«
»Wenn Willie gesagt hat, er
würde Sie umbringen und es dann nicht getan hat, haben Sie mehr Glück gehabt,
als Sie verdienen, Boyd«, sagte er. »Strapazieren Sie Ihr Glück nicht zu sehr.
Verschwinden Sie, und vergessen Sie, was hier geschehen ist. Auf diese Weise
können Sie einen ruhigen Lebensabend verbringen. Wenn Sie hierbleiben und sich
weiter mit uns anlegen, müssen wir Sie aus dem Weg räumen. Das kann ich Ihnen
versprechen!«
»Ist Fay bei Joe?« fragte ich
beiläufig.
Sein Gesicht wurde hart. »Fay?
Ich habe noch nie von einer Fay gehört.«
»Pattie hat sich gestern aufgemacht
in die blaue Ferne«, sagte ich. »Sie müssen sich nach Ersatz umsehen.
Irgendeine Dame muß Tyler Morgan ja bei Laune halten.«
»Sie reden wirklich gewaltigen
Unsinn«, sagte er. »Aber ich kann nichts damit anfangen.«
»Mir fällt immer wieder Joe
Hill ein«, fuhr ich entschlossen fort. »Die neueste Art von Schwindler. Er hat
sich da ein gutes Team zusammengebaut: Sie, Fay und Willie. Ein ganz besonderes
Team, alle vom selben Schlag, und Menschen sind euch ganz gleich. Gewalt ist
euch nur ein Vergnügen, nicht wahr?«
Er gähnte laut und lang. »Wie
Sie wollen, Boyd.«
»Ein Mann wie Joe Hill«, sprach
ich weiter. »So um die Fünfzig. Es muß ja eine Zeit gegeben haben, als er sein
Team noch nicht zusammengestellt hatte. Vielleicht hatte er sich da irgendwo
niedergelassen. Mag sein, daß er sogar eine Familie hat.«
»Joe?« Walt warf den Kopf
zurück und lachte. »Aber sicher! Acht Frauen und zweihundert Kinder!«
»Joe war gerissen«, sagte ich.
»Er hätte bestimmt keinem etwas davon gesagt. Bestimmt weiß niemand, wo seine
Familie wohnt. Und deshalb würde man ihn niemals finden.«
Plötzlich wurden Walts Augen
wachsam, vielleicht hatte ich ihn endlich aus dem Gleichgewicht gebracht. »Wenn
Sie weiterphantasieren wollen«, sagte er, »meinetwegen. Ich kann Sie nicht
daran hindern.«
»Das ist ein schöner Gedanke
für schlaflose Nächte«, sagte ich. »Wie in einem alten Horrorfilm. Es gab
einmal einen Joe Hill, und jetzt können Sie ihn plötzlich nicht mehr finden.
Mag sein,
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