Ein Cowboy für Bille und Zottel
wollte uns wieder austricksen!“
Tom wies auf den Boden. Die Schnipselfährte führte etwa zwei Meter in die Scheune hinein, beschrieb einen Kreis und kehrte zum vorderen Tor zurück. Wie der Blitz saßen Tom und Simon wieder im Sattel.
„Hier links — ganz dicht an der Wand entlang hat sie die Fährte gelegt. Raffiniert, sie ist kaum zu sehen!“
Simon trieb Pünktchen mit zusammengebissenen Zähnen vorwärts. Jetzt mußte gleich die lange Galoppstrecke kommen — die letzte Chance, den Sieg an sich zu reißen.
Noch einmal führte die Spur zurück zum Wald. In Zickzacklinien ging es durch engen Buchenbestand, über niedrige Hindernisse, schnell aus Zweigen und abgebrochenen Ästen zusammengestellt. Einen Abhang hinunter, hinüber zum Moorsee, um den halben See herum und wieder ein Stück durch den Wald.
Simon trieb seine Stute heftig zur Eile, aber Tom blieb ihm auf den Fersen. An dritter Stelle lag jetzt Bille, Daniel hatte in der Scheune viel Zeit verloren und ritt als letzter.
Tom spürte, daß Simon ihn um jeden Preis abhängen wollte. Bis jetzt hatte er das Ganze als einen Riesenspaß genommen, doch nun erwachte sein Ehrgeiz. Simon wollte um jeden Preis zeigen, daß er der beste Reiter war. Na schön, dann sollte er ihn mal kennenlernen!
Auch Bille fühlte die wachsende Spannung zwischen den beiden Jungen. Zottel jagte unermüdlich hinter Black Arrow her. Er war bereits klitschnaß, Schaumflocken lösten sich von seinem Maul und wehten Bille ins Gesicht. Bille ließ ihn laufen, wenn er erschöpft war, würde er schon von selbst aufgeben. Sollte er sich nur austoben.
Jetzt kam das freie Feld, in gerader Linie ging es auf das Gutshaus von Groß-Willmsdorf zu.
„Jepeeeh!“ jauchzte Tom, gab Black Arrow den Kopf frei und feuerte ihn an. „Now — let’s go old boy! We’ll show him…“
Black Arrow schoß davon. Seiner Kraft, seinem Tempo war das zarte Pünktchen nicht gewachsen, so sehr Simon seine Stute auch antrieb. Immer größer wurde der Abstand zwischen den beiden Reitern. Zottel hetzte hinterher. Jetzt war er in einer Höhe mit Pünktchen. Weit vorn galoppierte Black Arrow. Tom, der sich seine dünne Windjacke schon vor einer ganzen Weile ausgezogen und um den Bauch gebunden hatte, weil er in seinem dicken Pulli zu schwitzen begann, knüpfte die Jacke los, nahm sie am äußeren Ende eines Ärmels und schwang sie wie ein Lasso durch die Luft.
„Jepeeh!“ rief er noch einmal, dann ließ er die Jacke durch die Luft davonsegeln, legte die Hände an den Mund und imitierte einen Indianerruf. Der Zügel baumelte irgendwo an seinem Ellbogen.
Simon nahm das Tempo zurück. Pünktchen hatte keine Kraft mehr, er durfte sie nicht überanstrengen.
„Cowboy“, zischte er verächtlich durch die Zähne.
Bille hatte es nicht gehört. Jetzt kam sie heran.
„Großartig, was?“ sagte sie strahlend. „Reitet er nicht fabelhaft?“
„Reiten nennst du das?“ fauchte Simon giftig. „Er reitet, als sei er hier auf dem Rodeo! Du kannst ihn genausogut auf einen wildgewordenen Büffel setzen!“
Bille schwieg betroffen. Zottel schien immer noch nicht müde zu sein, er galoppierte unverdrossen hinter Black Arrow her und machte erst halt, als er neben dem Freund stand.
„He! Das ist toll! Zottel, du bist der Größte!“ rief Tom lachend. „So klein und so schnell!“
„Ja, ich staune selbst über seine Ausdauer.“ Bille klopfte ihrem Liebling begeistert den Hals. „Aber jetzt muß ich ihn eine Weile in der Halle trockenreiten, er ist klitschnaß von der ungewohnten Anstrengung. Komm, Dicker.“
Herr Tiedjen und Bettina hatten die Reiter am Portal erwartet und beglückwünscht. Jetzt kehrten sie ins Haus zurück, während die Teilnehmer des Neujahrsritts die Pferde versorgten.
„Ich weiß nicht, was mit Simon los ist“, sagte Bettina, als sie am knisternden Kaminfeuer Platz nahmen. „Er ist so unfreundlich. Ein schlechter Verlierer war er doch noch nie!“
„Nein. Allerdings kann ich mich nicht erinnern, daß er schon mal verloren hat — es sei denn, gegen wesentlich erfahrenere Reiter. Aber ich glaube auch nicht, daß das der Punkt ist. Ich fürchte, seine schlechte Laune hat ganz andere Gründe. Aber da können wir uns nicht einmischen — er muß allein damit fertig werden. Geben wir ihm ein bißchen Zeit.“
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