Ein Cowboy für Bille und Zottel
nachmittag zusammen in den Wald reiten und einen Weihnachtsbaum für Tom und seinen Vater holen? Und ihn selber schmücken — mit Strohsternen und Kerzen, Äpfeln und Nüssen...“
„Das ist ein schöner Gedanke!“ Herr Tiedjen legte Bille den Arm um die Schultern. „Ein richtiges Weihnachtsgeschenk für Tom und mich. Aber ich habe auch eine Überraschung für euch. Ich will einen Neujahrsritt für euch veranstalten, einen kleinen Geländeritt mit sechs schönen Preisen für die sechs Ersten.“
„Aber wir sind doch nur sechs?“ fragte Florian erstaunt.
„Eben.“
Der Neujahrsritt
Billes Freundschaft zu Tom wurde jeden Tag herzlicher. Sie konnte sich gar nicht mehr vorstellen, warum sie am Anfang geglaubt hatte, Herr Tiedjen würde sich nun nur noch um seinen Sohn kümmern und sie selbst links liegenlassen. Das Gegenteil war der Fall.
Herr Tiedjen war offensichtlich froh, daß die beiden sich so gut verstanden. Vielleicht hatte auch er ein wenig Angst vor seiner Vaterrolle gehabt, die so ungewohnt und neu für ihn war. Angst vor der Veränderung in seinem Leben, vor der Umstellung in seinen täglichen Gewohnheiten, vor der Unruhe und den Ansprüchen eines Jungen von sechzehn Jahren.
Wo Bille war, war auch Tom — und das hieß: bei den Pferden. Jetzt in den Ferien waren Hubert und Petersen fast arbeitslos, weil Bille und Tom ihnen in allem zuvor kamen. Wenn Tom auch zu einem guten Reiter noch viel fehlte, was die Pferdepflege betraf, war er ein As. In jeder seiner Bewegungen spürte man die Liebe zu den Tieren, und Bille war nicht erstaunt, als Tom ihr gestand, sein größter Wunsch sei es, später einmal Tierarzt zu werden.
Wie Herr Tiedjen den beiden erzählte, war seine Idee beim Kauf des schönen Rappen Black Arrow gewesen, dies solle einmal Toms Pferd werden. Aber Toms Liebe galt einem anderen Pferd — Troilus. Und so wurde Toms Weihnachtsgeschenk der schöne Fuchswallach. Bille freute sich mit Tom. Zwar würde er seinen kostbaren Besitz vorerst noch nicht reiten dürfen, bis Troilus fertig ausgebildet war — und er selbst ebenfalls. Aber seine besondere Fürsorge galt von nun an dem Sohn der Stute Troja, die weiterhin von Bille geritten wurde.
„Wir werden ein fabelhaftes Quartett werden“, schwärmte Tom. „Schade, daß du mir nicht auch so ähnlich bist, wie es Troilus seiner Mutter Troja ist. Wenn wir dann daherkämen — wie zweimal zwei Zwillinge — das wäre eine Schau!“
„Wie im Kino!“ meinte Bille lachend. „Eine Hollywood-Show. Nur leider sind wir uns nicht ähnlich.“
Auch in Wedenbruck war Tom immer willkommen. Mutsch und Onkel Paul hatten den unkomplizierten, fröhlichen Jungen sofort in ihr Herz geschlossen, und es war am Tisch stets ein Platz für ihn frei. Mutsch richtete sich auf doppelte Portionen ein, wenn sie kochte, und war fast enttäuscht, wenn Bille Tom nicht mitbrachte.
Nicht ganz so herzlich war das Einvernehmen mit den Peershofern. Die drei Jungen behandelten Tom mit kühler Höflichkeit und gaben sich keine Mühe, ihre Bekanntschaft mit ihm zu vertiefen. Sie ließen sich jetzt nur noch zu den Reitstunden in Groß-Willmsdorf sehen, ließen sich mal zu einem Ausritt überreden, luden Tom auch nach Peershof ein, aber ihre Reserviertheit war nicht zu übersehen.
Bille bemerkte es kaum, sie war viel zu sehr mit Tom beschäftigt, immer noch gab es ihm so viel zu zeigen, zu erzählen ! Aber Tom spürte genau, daß man hier keinen großen Wert auf seine Gesellschaft legte.
„Dear me — sie sind so vornehm! Als ob sie goldene Löffel verschluckt hätten“, seufzte Tom, als sie aus Peershof kamen. „Und das Haus — ich hatte Angst, ich würde auf dem feinen Parkett ausrutschen und in das teure Porzellan fallen.“
„Genauso ging es mir, als ich das erste Mal nach Peershof kam“, erwiderte Bille lachend. „Aber sei beruhigt, man gewöhnt sich daran: Und die Jungen sind wirklich große Klasse, ihr müßt euch nur näher kennenlernen. Wie gefällt dir eigentlich Bettina?“
Tom lachte.
„Ganz große Klasse! Super-class! Ich werde mich näher mit ihr befassen müssen. I’d say — das könnte ein Problem für mich werden.“
„Oh, wirklich?“ Bille blinzelte ihn frech von unten herauf an.
„Was dagegen, kleine Schwester?“
„Im Gegenteil. Meinen Segen hast du, großer Bruder. Sag mir Bescheid, wenn du Hilfe brauchst.“
„Mach ich.“
Der Neujahrsmorgen war frostig-klar, die bereiften Zweige der Bäume sahen gegen den Himmel wie
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