Ein Cowboy für Bille und Zottel
oder ist es da zu eng?“
„Stell ihn zu Zottel und Sternchen, ich lasse Moischele so lange in den Garten. Es bekommt ihm ganz gut, wenn er noch ein bißchen Auslauf hat. Und dann kannst du uns beim englischen Hausaufsatz helfen.“
Als Tom und Bettina sich begrüßten, wurden sie rot wie Pfingstrosen. Bille sah diskret weg.
„Hallo“, murmelte Tom.
„Hallo“, hauchte Bettina.
„Mögt ihr einen Orangensaft?“ versuchte Bille die Situation zu überbrücken.
„O ja, gern“, krächzte Tom, der plötzlich einen Frosch im Hals hatte.
Bettina nickte nur eifrig.
Bille schob Tom Bettinas Englischheft vor die Nase.
„Da, laß dir mal etwas einfallen. Und mir darfst du dann eine zweite Version der Story liefern.“
Tom war froh darüber, daß er seine Verlegenheit überbrücken konnte und machte sich an die Arbeit. Zwanzig Minuten später hatte jedes der Mädchen einen perfekten englischen Aufsatz in ihrem Heft.
„Ich helfe dir gern öfter, wenn du magst.“ Tom streichelte Bettinas Heft, als sei es ihre Hand. „In Englisch und so — vielleicht bist du auch an englischer Konversation interessiert? Zur Übung!“
„O ja!“
„Wenn du magst, können wir immer mal zwischendurch eine Stunde nur englisch sprechen!“
„Ja, gern. Und du mußt alle meine Fehler sofort verbessern, damit ich wirklich etwas lerne!“
„Okay.“
„Kommt, Kinder, wir müssen uns in den Sattel schwingen, es
wird immer noch ziemlich früh dunkel — sonst habt ihr keine Zeit mehr für euren Ausflug.“
Bille fing Moischele wieder ein und brachte ihn in den Stall zurück. Tom hatte inzwischen Zottel gesattelt. Zu dritt trabten sie die Dorfstraße hinauf und bogen in einen Feldweg ein.
„Dort vorn am Wald verlasse ich euch und reite nach Groß-Willmsdorf rüber. Verirrt euch nicht und denkt daran, daß Sternchen bald Mutter wird und nicht überanstrengt werden darf!“
„Was glaubst denn du — wir reiten nur ganz langsam!“
„Also dann, tschüß, ihr beiden, und viel Spaß!“
Sollte mich wundern, wenn die auf den ersten fünf Kilometern überhaupt ein Wort rausbringen! dachte Bille. Na, im Zweifelsfalle werden sie über Pferde reden, da haben sie Gesprächsstoff genug. Ob ich auch so einen idiotischen Ausdruck in den Augen habe, wenn ich mal verliebt bin?
Bille hatte sich getäuscht. Tom und Bettina hatten ihre Anfangsschwierigkeiten schnell überwunden. Tom — wohl ahnend, daß es ihm die Sprache verschlagen könnte, wenn er nun endlich einmal mit Bettina allein war — hatte sich eine ganze Reihe von Fragen überlegt und sie auswendig gelernt. Das Rezept bewährte sich. Bettina sprudelte die Antworten nur so heraus, erzählte, als hätte sie sich seit Monaten alles für diesen einen Nachmittag aufgehoben — und sobald sie einmal richtig in Schwung waren, redeten sie beide ohne Pause.
Sie ließen die Pferde im Schritt gehen, legten nur manchmal einen kleinen Trab ein, und hin und wieder hielten sie an, wenn sie einen Vorwand suchten, einander näher zu kommen.
„Sind deine Hände nicht kalt? Zeig her, komm, ich wärme sie dir.“ Oder: „Warte, dein Pulli ist ganz voller Schnee! Komm, ich klopfe ihn ab, sonst wirst du naß!“
Sie waren kreuz und quer durch den Wald geritten, das dichteste Tannendickicht war ihnen gerade recht, obgleich sie nichts anderes taten, als sich an den Händen zu halten und sich tief in die Augen zu sehen. Und zu reden natürlich, denn je mehr sie sprachen, desto mehr fiel ihnen ein. Es war ihnen, als müßten sie ihr ganzes bisheriges Leben vor dem anderen ausbreiten wie ein aufgeschlagenes Buch.
„Wo sind wir hier eigentlich?“ fragte Bettina plötzlich. „Es wird dunkel. Wir müssen an den Heimweg denken.“
„Laß mal sehen, dort ist Westen. Ich schlage vor, wir halten uns jetzt links, dann müssen wir automatisch zurückkommen. Weit kann es nicht sein.“
Aber Tom täuschte sich. Sie waren viel weiter von Groß-Willmsdorf fortgeritten, als er ahnte, das Gut lag hinter ihnen und der Weg, den sie nun einschlugen, führte direkt nach Neukirchen. Es dauerte eine Weile, bis sie den Irrtum bemerkten.
„Verflixt, wir haben einen Fehler gemacht! Wir müssen umkehren, Tom, sonst machen wir einen riesigen Umweg und sind frühestens in zwei Stunden zu Hause“, jammerte Bettina.
„Okay, du hast recht, kehren wir um und reiten auf dem Waldweg zurück. Reg dich nicht auf, Kleines, wir werden eben jetzt einen strammen Trab einlegen. Das hält Sternchen schon aus — bis
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