Ein Cowboy für Bille und Zottel
zusammensein. Dann holst du sie bei mir ab und reitest mit ihr aus.“
„Das wäre die Lösung!“ Tom wurde ganz zappelig. „Meinst du, du kannst das arrangieren?“
„Warum nicht? Ich spreche morgen in der Schule mit Bettina. Nach dem Mittagessen sage ich dir Bescheid, okay?“
„Okay. Du bist ein prima Kerl, Bille. Genau die Schwester, die ich mir immer gewünscht habe.“
„Danke, gleichfalls! Du bist auch genau der Bruder, den ich mir immer gewünscht habe. Und weißt du, was ich so toll daran finde? Freundschaften können kaputt gehen, sogar Ehen halten manchmal nicht ewig. Aber Geschwister — die hat man für sein ganzes Leben. Deshalb war ich so froh, daß dein Vater mich als so eine Art Adoptivtochter akzeptiert hat — auch, als du dann gekommen bist. Und daß du mich gleich als Schwester angenommen hast.“
„Das war für mich schon klar, als ich noch in Amerika war. Daddy hatte so viel von dir erzählt — als... als seiner ,Ersatztochter’. So hat er dich immer genannt. ,Wenn du nach Deutschland kommst, wirst du eine Schwester haben’, hat er gesagt. Das war eine Tatsache für mich. Ich wußte, daß wir uns sehr ähnlich sind, daß du auch so verrückt bist auf Pferde, also — warum sollten wir nicht wirklich Geschwister sein?“
„Und was hat er dir über Bettina erzählt?“
„Nicht viel. Nur, daß ihre Eltern tödlich verunglückt sind und sie bei ihren Vettern lebt. Und daß du ihr sehr geholfen hast am Anfang, als es ihr so schlecht ging.“
„Das stimmt. Aber ohne deinen Vater hätte ich sie nie kennengelernt. Er hat mir den Auftrag dazu gegeben. Komisch- bevor du kamst, habe ich nie gewußt, ob er mich wirklich mag. Ich wußte, daß er eine gute Reiterin aus mir machen wollte, und daß meine Fortschritte ihn gefreut haben. Aber er kam mir immer vor wie ein Mann, der gar keine persönlichen Gefühle kennt.“
„Da hast du recht. Ich denke es auch oft. Man hat immer ein bißchen Angst vor der Mauer, die er um sich herum gebaut hat, nicht wahr?“
„Ja. Ich wußte nicht, daß es dir auch so geht. Glaubst du, das wird sich eines Tages ändern?“
„Vielleicht. Ich weiß nicht. Am Anfang habe ich es gedacht, aber jetzt — er hat irgend etwas, was ihn sehr beschäftigt, aber er will nicht darüber sprechen. Ich wünschte, ich wüßte, was es ist.“
Am nächsten Tag berichtete Bille Bettina in der großen Pause von ihrem Gespräch mit Tom.
„Er will mit mir sprechen? Allein?“ Bettina wurde rot bis unter die Haarwurzeln, Bille spürte, wie das Herz der Freundin zu galoppieren begann — auch wenn sie sich noch so sehr den Anschein geben wollte, als berühre sie die ganze Angelegenheit gar nicht.
„Nun ja, warum nicht. Ein Ausritt mit ihm wird bestimmt eine ganz lustige Sache. Und ich wollte ihn schon immer so vieles über seine Kindheit in Amerika fragen „Dann kann ich ihm also deine Zustimmung überbringen? Und wann paßt es dir am besten?“
„Oh, ich würde sagen — nicht, daß es eilt, aber — das Wetter ist gerade so günstig. Wer weiß, ob es übermorgen nicht schon wieder schneit oder regnet. Warum nicht morgen?“
„Morgen. Gut, ich werde es ihm sagen. Und du kommst nach dem Mittagessen zu mir nach Wedenbruck, abgemacht?“
„Okay. Wir machen zusammen die Hausaufgaben und dann... Übrigens wäre es vielleicht gut, wenn wir zu dritt losreiten würden, und wenn wir aus dem Dorf raus sind...“
„Dann verabschiede ich mich höflich und reite nach Groß-Willmsdorf hinüber, ist doch klar. Du kannst dich auf mich verlassen. Und wenn mein großer Bruder frech wird, sag mir Bescheid, dann kriegt er eine Tracht Prügel.“
Eher als erwartet erschien Bettina am nächsten Tag bei Bille. Wahrscheinlich hatte sie vor Aufregung nichts essen können und war beim Putzen ihrer Stute Sternchen mehr als großzügig gewesen.
„Wann meinst du, daß er kommt? Werden wir es schaffen mit den Hausaufgaben?“ fragte sie schon in der Tür.
Bille hatte sich gerade zwei Spiegeleier gemacht, die sie nun in aller Ruhe über ein dickes Schinkenbrot gleiten ließ, ehe sie der Freundin antwortete.
„Also erstens kommt er nicht vor drei Uhr und zweitens haben wir bis dahin die Hausaufgaben längst fertig. Und wenn nicht, kann er uns ja helfen.“
Im ersten Punkt hatte Bille sich allerdings getäuscht. Tom hatte es genauso eilig wie Bettina und stand bereits um halb drei vor der Tür.
„Wo kann ich Lohengrin so lange unterstellen? Soll ich ihn in die Box bringen —
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