Ein Dämon dreht durch
Solange er hier war, war er immer Klassenbester, und alle prophezeiten ihm eine goldene Zukunft. Ich weiß nicht, ob er jemals davon erfahren hat, aber unter den Fakultätsmitgliedern gab es schon lange, bevor er seinen Abschluß machte, hitzige Diskussionen über ihn. Die eine Partei war der Meinung, daß man alle Anstrengungen unternehmen müsse, um ihm nach seinem Abschluß eine Position am Institut als Lehrkraft zu sichern. Die andere Fraktion meinte allerdings, daß es angesichts seiner arroganten Mißachtung Untergebener nicht zumutbar sei, ihn die Studenten ständig ... Na ja, sagen wir einfach, daß sie der Auffassung waren, sein Temperament sei besser für die Privatpraxis geeignet, und daß die Schule von ihm am meisten profitieren könnte, wenn sie nach seinem Abgang einfach nur seine Spenden als Ehemaliger entgegennähme, die vorzugsweise aus größtmöglicher Entfernung per Post überwiesen werden sollten.«
Ich war entzückt von diesem neuen Einblick in Aahz’ Vorleben. Andererseits fiel mir allerdings auch eine Einzelheit auf, die sich nicht mit der Lobeshymne des Archivars decken ließ.
»Entschuldigen Sie«, warf ich ein, »aber habe ich richtig gehört, als Sie Gretta beauftragten, Aahz’ Akte in der Abteilung jener zu suchen, die das Studium vorzeitig abgebrochen haben? Wenn er so gut war, warum hat er dann keinen Abschluß gemacht?«
Der Perfekter seufzte schwer, seine Miene wirkte von ehrlichem Schmerz gepeinigt.
»Seine Familie hatte im Zuge zweifelhafter Investitionen ihr ganzes Geld verloren. Als seine Geldquelle versiegt war, verließ er die Schule, mitten im Semester, obwohl bis zum Ende des Semesters alles bereits bezahlt worden war. Wir haben ihm ein Stipendium angeboten, um seine Ausbildung zu beenden, ja, es fand sogar eine Sondersitzung statt, um die erforderlichen Genehmigungen einzuholen, damit er nicht in der Schwebe hängen sollte, bis sich der Stipendiatenausschuß zu seiner planmäßigen Sitzung traf. Doch das wollte er nicht annehmen. Wirklich schade. Er war ein so großes Talent.«
»Das hört sich gar nicht an wie der Aahz, den ich kenne«, meinte ich stirnrunzelnd. »Ich habe nie erlebt, daß er irgendwelches Geld ausgeschlagen hätte. Meistens konnte er nicht einmal lange genug warten, bis es ihm angeboten wurde. Wenn man es nicht gerade irgendwo festgenagelt hatte, genügte es ihm meist als Einladung, sich selbst zu bedienen. Hat er irgendeinen Grund dafür angegeben, weshalb er das Stipendium ausschlug?«
»Nein, aber das war schon nicht schwer zu verstehen. Sie müssen wissen, daß seine Familie sehr begütert gewesen war, und er hatte den weniger gut Betuchten gegenüber seinen Reichtum mindestens ebensosehr ausgespielt, wie er sie mit seinen überlegenen Fähigkeiten in den Schatten stellte. Ich glaube, daß er die Schule verließ, weil er den Gedanken nicht ertrug, in dieser neuen, mißlichen Lage seinen alten Kameraden und vor allem seinen ehemaligen Opfern ins Auge sehen zu müssen. Im Prinzip war er zu stolz dazu, den Rest seines Studiums als Stipendiat zu fristen, nachdem er sich erst einmal als Aristokrat des Campus etabliert hatte. Mag sein, daß Aahzmandius kein Geld ausschlägt, aber ich glaube doch, daß Sie feststellen können, daß er eine Abneigung gegen Wohltätigkeit hat ... oder gegen alles, was sich so auslegen läßt.«
All das leuchtete ein. Das Porträt, das er da von Aahz zeichnete, schien Schmetterlings Analyse des Finanzgebarens meines alten Mentors zu bestätigen. Wenn er tatsächlich in die peinliche Lage geraten war, alle seine Zukunftspläne aufgrund obskurer Geldgeschäfte scheitern zu sehen, war es nur verständlich, daß er darauf reagierte, indem er ultrakonservativ, um nicht zu sagen regelrecht geizig, mit der Anhäufung und Bewahrung unseres Bargeldvorrats umging.
»Ah! Da kommt es ja.«
Die Reaktion des Archivars auf Grettas Rückkehr riß mich aus meinen Gedanken. Ich spürte meine Erwartung, als er die Mappe entgegennahm und durchblätterte. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft auf Perv würde ich nun einen konkreten Hinweis auf Aahz’ Aufenthaltsort bekommen. Dann sah ich, wie er die Stirn runzelte. »Was ist denn los?«
»Es tut mir leid, Mr. Skeeve«, sagte der Archivar und hob den Blick von der Akte. »Anscheinend verfügen wir nicht über die aktuelle Adresse Ihres Partners. Die Aktennotiz hier lautet >auf Reisen<. Ich vermute, daß wir uns angesichts seiner finanziellen Situation nicht die gleiche Mühe gemacht haben,
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