Ein Dämon macht noch keinen Sommer
schossen schnell in die Höhe ... zu schnell.
»Vorsicht, Boss!« schrie Guido und griff nach meinen Beinen, als sie an ihm vorbeisausten.
Das bremste unseren Auftrieb ... na ja, fast wenigstens.
Anstatt in die Nacht emporzujagen, schwebten wir nun langsam, kaum merklich immer höher.
»Das war's, Große Nummer!« rief Massha und legte nun beide Arme um mich. »Allerdings ein bisschen mehr Ballast, als ich einkalkuliert hatte.«
Ich überlegte kurz, ob ich Guido befehlen sollte, loszulassen, entschied mich aber dagegen. Wenn der Leibwächter seinen Griff lösen sollte, würden wir mit Sicherheit unsere vorherige Beschleunigung wieder aufnehmen ... und wenn auch viele Leute im Bazar von meinem meteorhaften Aufstieg gesprochen hatten, wollte ich diesen Ausdruck doch lieber im Bereich des Metaphorischen belassen. Außerdem war da noch die Kleinigkeit, dass wir inzwischen bereits eine Höhe erreicht hatten, die einen Sturz in die Tiefe gefährlich erscheinen ließ. Und dann war da noch Guidos verzweifelter Griff um meine Beine.
»Sag's nicht, lass mich lieber raten«, rief ich ihm zu. »Höhenangst hast du auch, stimmt's?«
Der Ausblick auf Blut, das sich unter uns erstreckte, war wahrhaft atemberaubend. Wirklich! Mein Leben war dieser Tage derart angefüllt mit Krisen und Gefahren, dass eine Kleinigkeit wie das Herabschauen auf Gebäude aus großer Höhe mir kaum noch etwas ausmachte, doch selbst mir blieb der Atem weg angesichts der Nähe dieser steilen Mauern, die mit schauerlichen Wesen verziert waren.
Doch erst als ich seine Fingernägel spürte, die sich in meine Waden krallten, kam ich auf den Gedanken, dass so etwas einen alten Haudegen wie Guido aus der Fassung bringen könnte.
»Merkt man das?« fragte er nervös.
Dabei ließ ich es bewenden. Ich war damit beschäftigt, den Turm zu studieren, der aus dieser Höhe weitaus überschaubarer war. Dieser Teil hier oben sah fast noch stärker aus als der Gebäudeteil weiter unten. Eine Einzelheit erregte jedoch meine besondere Aufmerksamkeit. Der obere Teil des Turms, in dem ich Aahz Zelle vermutete, hatte die Form eines großen Drachenkopfs. Das Fenster, mit dem ich gerechnet hatte, war in Wirklichkeit das Maul des Drachen, dessen Zähne als Gitterstäbe dienten.
Angesichts der Fülle steinerner Tiergestalten an und auf den Gebäuden der Stadt hätte ich eigentlich mit etwas Derartigem rechnen müssen, dennoch war es eine Überraschung ... allerdings eine angenehme.
Ich hatte erwartet, Eisenstäbe überwinden zu müssen, steinerne Zähne waren möglicherweise leichter zu bewältigen. Wenn Aahz sich von innen daranmachte und wir von außen, konnten wir vielleicht den Mörtel lockern und dann ...
Plötzlich bemerkte ich, dass wir uns jede Augenblick mit der Zelle auf gleicher Höhe befinden mussten ... und dass wir wenige Augenblicke später daran vorbeigeflogen sein würden! Wenn wir nicht irgend etwas unternahmen - und zwar schnell -, würden wir mit Aahz allenfalls ein paar kurze Worte wechseln können, bevor wir für immer auseinander gingen.
Angesichts dieses Zeitdrucks suchte ich nach einer Lösung für dieses Problem.
Die Mauer war zu weit entfernt, um sie packen zu können, und es gab andererseits keine Möglichkeit, unser Gewicht zu vergrößern, es sei denn ...
Als Aahz mir das Fliegen beigebracht hat, hat er das Ganze als >Umkehrung der Schwerkraft< bezeichnet. Das sollte besagen, dass man seine Energie dabei nicht darauf verwendet, sich auf den Beinen zu halten, sondern statt dessen mit aller Gedankenkraft gegen den Boden drückt und sich dann in die Luft erhebt. Ich konzentrierte mich also auf mein Reservoir magischer Energie und benutzte einen kleinen Teil davon, um einen umgekehrten Flug zu versuchen.
Anstatt Druck nach oben zu geben, drückte ich nach unten! Na schön, ich war verzweifelt. Wenn ich in einer Krise stecke, dann versuche ich einfach alles, egal wie blöd es auch sein mag. Zum Glück funktionierte diese blöde Idee! Unser Auftrieb wurde gebremst, bis ich auf Augenhöhe vor dem Drachenmaul der Zelle schwebte.
Ich versuchte, mir meine Erleichterung nicht anmerken zu lassen, und sprach deshalb sehr laut.
»He, Aahz! Wie sind denn hier die Besuchszeiten?«
Zunächst erhielt ich keine Antwort und fühlte schon jähe Panik in mir hochsteigen bei dem Gedanken, wir könnten hier in hundert Fuß Höhe mitten in der Luft vor einer leeren Zelle schweben. Doch dann erschien das unverwechselbare Konterfei meines Partners in der
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