Ein Dämon macht noch keinen Sommer
ich bei mir gehabt hatte. Sie war nicht mehr dort. Ich suchte noch einmal, und sie war immer noch weg. Ich konnte mich nicht erinnern, irgendetwas mit ihr gemacht zu haben, aber natürlich könnte ich sie vor Aufregung fallen gelassen haben, als ich gesehen hatte, wie sich die Kühe in Vampire verwandelten und an den Menschen nährten.
»Hast du die andere Feldflasche mit Saft?«, fragte ich Aahz.
»Ich fürchte, nein, Kind«, sagte er. »Hab sie auf Quweyd zurückgelassen, als wir weggesprungen sind.«
Meine erste Reaktion bestand darin, ihm kein Wort zu glauben. Dann ging mir allmählich auf, dass er tatsächlich den Rest meines Karottensafts zurückgelassen hatte, und die Reaktion darauf war ungezügelter Zorn.
»Wir konntest du das tun?«, brüllte ich.
»War ganz einfach.«
Er demonstrierte mir, was er meinte, indem er in seine Tasche griff, eine unsichtbare Feldflasche hervorzog und auf den Boden fallen ließ.
»Aber was soll ich ohne den Saft machen?«
Wieder hatte ich nach Leibeskräften gebrüllt. Ich brauchte den Karottensaft; ich brauchte das Zeug mit jeder Faser meines Körpers.
»Du wirst jetzt erst mal ziemlich lange schlafen«, sagte Tanda und lächelte mir zu.
Schon die Erwähnung machte mich schläfrig. Trotzdem konnte ich nicht fassen, dass sie mir das angetan hatten.
»Einem Mann seinen Karottensaft wegzunehmen ist nicht nett.«
»Ich weiß«, sagte Tanda. »Aber wir haben es nur zu deinem Besten getan. Du hast seit drei Tagen nicht geschlafen. Du musst endlich zur Ruhe kommen und dich ein bisschen hinlegen.«
Die Müdigkeit schlug über mir zusammen wie Wellen an einem Strand. Ich brauchte all meine Kraft, auch nur den Gedanken zu fassen, ihr zu sagen, dass ich keinen Schlaf brauchte.
Wie konnte sie es wagen, mir zu erzählen, was ich brauchte?
Wie konnte Aahz es wagen, meinen Saft zurückzulassen? Hatte ich ihm den Saft nicht im guten Glauben anvertraut?
»Ich brauche keine Ruhe«, sagte ich, und meine Stimme klang irgendwie komisch in meinen Ohren.
»Wie wäre es, wenn du dich für ein paar Minuten hinlegst, und dann sprechen wir darüber?«, sagte Tanda, während sie mir auf die Beine half und mich zu dem kuschelig weich aussehenden Bett an der Wand führte.
»Naja, vielleicht eine Minute«, säuselte ich.
Was konnte eine Minute schon schaden? Ich konnte meine Energie regenerieren und Tanda dann überreden, mich zu meinem Saft zurückzubringen.
»Nur eine Minute«, sagte ich.
Zumindest glaube ich, dass ich das sagte. Vielleicht aber auch nicht, denn von dem Moment an, in dem mein Kopf das Kissen berührte, erinnere ich mich an gar nichts mehr.
Ich erwachte mit scheußlichen Kopfschmerzen und einem Geschmack auf der Zunge, der irgendwo zwischen Pferdescheiße und vergammelten Karotten einzuordnen war. Ich drehte mich herum, und der Schmerz wurde noch schlimmer. Es pochte in meinem Schädel, als würde mir jemand einen Hammer beständig zwischen die Augen prügeln.
»Oooohhh«, machte ich und legte beide Hände an den Kopf, in der Hoffnung, die Qualen so lindern zu können. »Der schlafende Lehrling erwacht«, kommentierte Aahz, und seine Stimme war viel zu laut für den winzigen Raum zwischen meinen Ohren.
»Unter Schmerzen, wie es aussieht«, brüllte Tanda. »Bitte, flüstert«, flehte ich sie an, doch meine Kehle war so trocken, dass die Worte nicht wirklich über meine Lippen kamen.
Ich wollte sterben. Warum hatten sie mich nicht einfach im Schlaf ermordet? Aber vielleicht hatten sie es ja versucht, und das war der Grund für meine Schmerzen. Ich hätte mich auch gern übergeben, aber das war unmöglich, da in meinem Magen rein gar nichts war, das ich hätte erbrechen können. Trotzdem fühlte sich dieser Magen an, als versuche er, sich herauszuwinden und über meinen Gaumen zu entkommen. Die Tatsache, dass sich die ganze Welt um mich drehte, trug auch nicht gerade zur Linderung meines Leidens bei.
Mehr als alles andere wollte ich jedoch die Albträume von Kühen, die sich in Vampire verwandelten, und einer Dimension, in der die Menschen nur als Nahrungsmittel dienten, vergessen. Was für ein furchtbarer Albtraum.
Das war das letzte Mal, dass ich Karottensaft getrunken hatte, wenn das Zeug derartige Visionen heraufbeschwor.
Tanda kam zu mir und kniete sich neben mich. Ich fühlte ihre Hand auf meiner Stirn. Dann durchströmte mich eine sanfte Kraft, die Schmerz und Übelkeit mit sich nahm. Was auch immer sie da tat, es fühlte sich gut an.
Im nächsten Moment
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