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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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wir nur unterstützend wirken. Er muss es selber schaffen. Aber wenn er erst mal ohne größere Probleme die 1000 Gramm erreicht hat, hater gute Chancen, zu überleben. Im Moment scheint es ihm gutzugehen.«
    »Zu überleben«, wiederholte Amina mechanisch, wandte sich um und streckte Bertram ihre Hand hin, der sofort danach griff.
    »Sein Kreislauf ist stabil und die Atmung ziemlich gleichmäßig«, sagte die Schwester.
    Bertram, der stumm die routinierten Handgriffe der Schwester verfolgte, blickte abwärts, über die Rückenlehne des Rollstuhls, hinunter zu den profillosen Gummirädern und dachte: Wie es wohl wäre, wenn sie für immer in dem Ding säße?
    Er hob den Kopf und verfolgte, wie die Schwester ihre Hände aus den dafür vorgesehenen kreisrunden Löchern des Inkubators zog, die Öffnungen sorgfältig wieder verschloss, ihre Gummihandschuhe abstreifte und zur Verdunklung wieder das Tuch über den Kasten breitete.
    Bertram starrte hinauf zu den jetzt ausgeschalteten UV-Leuchten über dem Inkubator, die am Tag ihr blaues Speziallicht auf seinen Sohn hinabgeschickt hatten, um den Bilirubinwert in seinem Blut zu senken, den die Frühgeborenengelbsucht in unnatürliche Höhen getrieben hatte. Er nahm seine Brille ab, schloss die Augen, legte Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand an die Nasenwurzel und massierte sie.
    Dabei flirrten die Bilder der letzten zwölf Stunden wie im Zeitraffer durch das an den Rändern orangefarbene Dunkel vor seinen Augen, tauchten auf, nahmen kurz Gestalt an und verschwanden: die wechselnden Gesichter der Schwestern und Ärzte, die matt verglaste Tür des Operationssaals, vor der er hilflos zurückgeblieben war. Und die schiefergrauen Linoleumquadrate des Flurs, die er so lange abgeschritten war, bis man ihn endlich zu ihr ließ, und Amina, wie um Jahre gealtert von der Operation, ihn ansah, wie sie ihn noch nie angesehen hatte.
    »Ich komme in einer Stunde wieder«, sagte die Nachtschwester, lächelte und war auf dem Weg aus dem Zimmer, wandte sichaber noch einmal um. »Am besten versuchen Sie beide, ein bisschen zu schlafen. Damit helfen Sie Ihrem Kind am meisten. Mehr können Sie sowieso nicht tun.«
    »Ja, ist gut«, sagte Bertram und setzte die Brille wieder auf. Amina saß immer noch reglos vor dem Inkubator.
    Sie kannten einander inzwischen seit fast zehn Jahren. Amina, die wie Bertram aus Hirschhorn kam und ihm bereits dort ein paarmal über den Weg gelaufen war, hatte nach zwei Semestern Geographie in Bonn das Studienfach gewechselt und sich genau wie er ein Jahr zuvor in Köln für Medienwissenschaft eingeschrieben. Eines Tages waren sie sich in der Mensa begegnet, und Bertram hatte ihr spontan ein Treffen abgerungen. Denn aus dem versponnenen Mädchen von einst, das sich die Haare schwarz gefärbt, die Augen dunkel geschminkt, an schweren Ketten befestigte Silberkreuze um den Hals getragen hatte und in wallenden, ebenfalls schwarzen Gewändern durch Hirschhorns Fußgängerzone spukte, war eine attraktive Frau mit schulterlangen brünetten Haaren geworden, die einen knallbunten Lackblouson und kniehohe Stiefel zu einem aufregend knappen Rock trug und eine unsichtbare Wolke fein austarierter Lockstoffe hinter sich herzog.
    Auf das erste Treffen waren rasch ein zweites und drittes gefolgt, und wenn sie gemeinsam durch die Breite Straße flanierten und Amina im Sommer wie fast überall außerhalb der Uni barfuß lief und ihre Haare schwungvoll in den Nacken warf, so dass ihre aus Kronkorken selbstgefertigten Ohrhänger schaukelten, kam Bertram sich wie ein Löwenbändiger vor, welcher der staunenden Öffentlichkeit sein schönstes Kätzchen präsentiert. Bertram wäre am liebsten bereits nach dem ersten Treffen zur Sache gekommen, doch zu mehr als einem flüchtigen Kuss ließ sie sich nicht verführen. Und so beschränkte sich ihre Beziehung – Bertram scheute sich lange, ihr undurchschaubares Treiben als eine solche zu bezeichnen – auf mehr oder weniger regelmäßige,mehr oder weniger frustrierend endende Treffen, die zu nichts führten. Was blieb, waren stundenlange nächtliche Telefonate, in denen Amina begehrlich in den Hörer stöhnte und damit sein limbisches System in Aufruhr versetzte, so dass er am Ende doch nur wieder wie so oft, nachdem sie aufgelegt hatten, mit heruntergelassenen Hosen und einem Schweißfilm auf der Stirn dabei zusah, wie sein eben noch von den wildesten Phantasien und heftigen Bewegungen seiner rechten Hand aus ihm herausgelocktes Sperma

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