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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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er liebte seine Tochter über alles. Es wäre sicher ein Leichtes gewesen, sich als angehender Vater des Kindes seiner Tochter den Geldströmen des betuchten Cement-Mannes zu überlassen, doch für Bertram, der sich schon als Junge als einsamen Überlebenskämpfer gesehen hatte, widersprach die von Amina ins Spiel gebrachte Lösung ihrer finanziellen Probleme sämtlichen seiner moralischen Grundsätze, und er antwortete entschieden: »Nur über meine Leiche!«
    »Es wird alles gut«, sagte Bertram, beugte sich zu Amina hinunter und legte ihr beide Arme um den Hals. Dabei drückte er sein Gesicht in ihr Haar, schloss die Augen und sog den Geruch, den es verströmte, tief ein.
    ***
    »Wir holen die Marion!«, sagte Rösner und bog plötzlich in die Kirchhellener Straße ab. Ganz spontan war ihm die Idee gekommen.
    »Bisste bestusst? Was willst ’n mit der jetzt?«, rief Degowski von hinten. Er mochte die Marion nicht. In ihrer Gegenwart war der Hanusch anders als sonst. Für ihn war er dann Luft.
    »Ich hol se, kapiert!«, sagte Rösner in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ, hielt in der Horster Straße vor dem Block 4a und sprang aus dem Wagen. In den Fenstern des achtstöckigen Blocks brannten da und dort noch Lichter. Er drückte viermal den Klingelknopf.
    »Ja?«, ertönte ihre Stimme.
    »Los komm, Kleines!«, sagte er.
    »Ich weiß nich«, sagte sie. »Und wenn die Bullen uns schnappen?«
    »Mensch, mach hinne!«, sagte er ungeduldig.
    Eine Weile war nur das Knistern der Sprechanlage zu hören, weil sie oben den Knopf gedrückt hielt, ohne etwas zu sagen. »Was hast ’n vor?«, sagte sie endlich und warf einen Blick auf den abgewohnten Teppich, der im Wohnzimmer lag.
    »Mensch, komm schon!«, rief er und spähte rüber zum Wagen. »Ich will, dasste mitkommst!«
    »Also gut«, sagte sie schließlich, und er konnte hören, wie sie den Knopf der Sprechanlage mit einem Klicken losließ. Die Lichter in den Fenstern wirkten wie Löcher in einer schwarz tapezierten Hauswand, durch die einzelne Strahlen drangen. Der schwache Wind schien die Lichter herumzuwehen.
    Es gab hier keine Morgenröte und abends keinen Sonnenuntergang. Nur Beton. Manchmal, wenn er in seinem Bett lag und an die Wohnblocks dachte, stellte er sich eine gewaltige Klinge vor, die aus dem Himmel runterfuhr und alles mit einem Ratsch einebnete. Damit wieder Licht durchkam. Verdammter Beton!
    Er lief zurück zum Wagen. Im Treppenhaus ging das Licht an, und kurz darauf stieg die Marion zu ihnen in den Wagen, zwängte sich mit ihrer Handtasche hinten neben Degowski. Sie trug Jeans und eine helle Bluse und roch wie ein Blumenstrauß. Rösner startete den Wagen, sah in den Rückspiegel und gab Gas.
    Im Spiegel betrachtete er ihre stark geschminkten Augen. »Wo is die Ramona?«, fragte er.
    »Bei meiner Mutter«, sagte sie. Das war gut. Da konnte ihr nichts passieren.
    Er war froh, die Marion dabeizuhaben. Auch wenn sein letzter Abgang ziemlich scheiße gewesen war und es so aussah, als wäre es aus mit ihnen. Aber das war es nicht. So was fühlte man doch.
    ***
    Marc Steiner hatte den Fernseher eine Stunde nach Mitternacht ausgemacht und war, nachdem er sich im Bad die Zähne geputzt hatte, in sein Zimmer gegangen, hatte die Stereoanlage eingeschaltet, »Eyes of the Universe« von Barclay James Harvest aufgelegt und sich der Länge nach auf seinem zerwühlten Bett ausgestreckt. Wenn er »Play to the World« hörte, war sofort alles wieder da: der milde Sommer 84, das Open-Air-Konzert auf der Feste Marienburg in Würzburg mit Barclay James Harvest, den Dire Straits und Georg Danzer und die langen, scheinbar nie zu Ende gehenden Abende mit Rachael unten am Main, wo sie am Ufer, am Fuß der großen Trauerweide rauchten, billigen Wein aus der Flasche tranken und Friedhofskerzen anzündeten, die sie auf Rindenstücke stellten und wie winzige Boote aufs pechschwarze Wasser setzten, um ihnen eng umschlungen zuzusehen, wie sie langsam hinaustrieben in die Nacht.
    Vier Jahre war das her. Trotzdem war ihm, wenn er »Play to the World« hörte, das sie damals, auf dem Bett liegend, wieder und wieder gehört hatten, als sei nichts vergangen: weder seine Liebe für Rachael und seine ständige Sehnsucht nach ihr nochder Schmerz, der ihn quälte. Rachael war das erste Mädchen, mit dem er geschlafen hatte. Am schlimmsten waren die Abende und Nächte, wenn er nach Sendeschluss Zuflucht bei den Go Betweens, Tears For Fears, The Smiths oder Büchern suchte. Denn

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