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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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okay? Sagen wir, heute am frühen Abend?«
    »Ich erwarte deinen Anruf um halb acht«, erwiderte sie im Befehlston und verschwand aus der Leitung. Kopfschüttelnd legte Bertram den Hörer zurück auf die Gabel und kehrte zu den Meldungen zurück.
    Er machte Sylvia ein Zeichen in Richtung Kantine und sagte: »Ich hol mir ’n Kaffee und ’n Brötchen, sonst fall ich um! Willst du auch was?«
    »Ein Mars wäre toll«, antwortete sie lächelnd und leckte sich mit rollenden Augen die Lippen.
    »Wird gemacht«, sagte er, ging los und dachte: O Mann! Im Moment war wirklich der Teufel los. Vermutlich fuhren deswegen seine Hormone Karussell. Paul schien auf dem Weg der Besserung, und Maibach schien auch noch an ihn zu glauben, setzte ihn sogar auf die Topgeschichte an.
    Er lief den Gang hinunter, vorbei an den schweren dunklen Eichenholzbürotüren, hinter denen rund um die Uhr an einem RTL-mäßigen Blick auf die Welt gestrickt wurde.
    Wahrscheinlich hat sie gerade mal wieder ihre Tage und ist deshalb so mies drauf, erklärte er sich Sirvans irritierendes Gerede und betrat die kleine Kantine, einen lichten, von einer weitläufigen Glasfront dominierten Korridor, in dem da und dort Leute an Tischen saßen und sich unterhielten.
    Mit seinem Kaffee, dem Mars-Riegel und einem in Cellophan eingewickelten Schinkenbrötchen ging er zur Kasse.
    Er würde Amina einen Ring besorgen und ihr so etwas Altmodisches wie eine Verlobung anbieten. Etwas Besseres, womit er ihr dokumentieren konnte, wie sehr er an ihre Beziehung glaubte, fiel ihm im Moment nicht ein. Ja, einen Ring, sagte er sich. Einen goldenen. Aber dann waren da trotzdem immer noch Sirvan undSylvia. Und was war mit der blonden Bedienung im Museumscafé, die er so anziehend fand? Und was mit der brünetten Plattenverkäuferin bei Montanus, die ihn jedes Mal so ansah, als warte sie nur auf ein Zeichen von ihm?
    Er hatte sich mit anderen Frauen eingelassen und würde es wieder tun, mit oder ohne Verlobung. Er würde Frauen finden, junge Dinger, die sich unter einem Fernsehjournalisten etwas ganz Tolles vorstellten und darauf spekulierten, dass er ihnen die Tür in den Großen Medienzirkus öffnete. Die Frage war doch, worum es in seinem Leben ging. Denn an den ganzen Mist von wegen »ein guter Mensch sein, andere gut behandeln und ein liebevoller Vater und Ehemann sein« konnte er inzwischen immer weniger glauben. Ein falscher oder unüberlegter Schritt, und man lag querschnittsgelähmt in einem Krankenhausbett. Ein falsches oder zu lautes Wort zur falschen Zeit gegenüber der eigenen Frau oder ein zu tiefer Blick in das Dekolleté einer anderen, und man fand sich vor dem Scheidungsrichter wieder. Nein, es gab keine kosmischen Standards, die einem ein erfülltes, sinnvolles Leben garantierten. Kinder zu haben galt als die Erfüllung, bedeutete aber genau genommen zwanzig Jahre Sorgen, Stress und eine Menge Kosten. Ganz zu schweigen vom Verzicht auf eigene Wünsche. Wer dennoch auf dieser Ansicht bestand, belog sich entweder selbst, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass es inzwischen zu spät war für einen Kurswechsel hin zu einem Leben als Partylöwe mit Kurztrips auf die Seychellen oder nach Ibiza. Oder aber er war bereits impotent und sein Leben damit ohnehin verloren. Und Geld, für sich genommen, versprach auch kein anhaltend sorgenfreies Leben. Also blieb nur der Sex übrig.
    Bertram überschlug im Kopf, wie viele Jahre ihm grob gerechnet dafür noch blieben. Bevor sich sein Leben in etwas auflöste, über das er lieber nicht nachdenken wollte. Als er mit dem festen Vorsatz in die Redaktionsräume zurückkehrte, sein mit Sylvia irgendwann nonverbal verabredetes Stillhalteabkommen inSachen Sex einseitig aufzukündigen, herrschte helle Aufregung: Die Gangster waren mitsamt ihren Geiseln kurz vor Köln.
    ***
    Seine Jungs waren startklar. Und er würde alles aus ihnen rausholen. Für diese Sache, die seine Sache war.
    »Kommt nur her, ihr Wichser!«, brüllte es in seinem Kopf. Die Kollegen vom MEK, die Rösners Wagen seit ein paar Stunden observierten, hielten ihm das Staffelholz vor die Nase, und er würde zugreifen und sich in einem Schlussspurt die verdammten Trophäen holen. Ihre Skalps.
    Nach weiteren erfolglosen Versuchen erreichte er Andreas Steinwald schließlich doch noch. Dem Kollegen waren die Müdigkeit und die Niedergeschlagenheit über den Tod des italienischen Jungen deutlich anzuhören, er sprach schleppend wie jemand, der aus einer schweren Narkose

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