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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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abklappern. Da vorne ist eine Telefonzelle.«
    Nachdem sie wusste, dass ihr Vater weder im Pius-Hospital noch im Evangelischen Krankenhaus lag, blieb nur noch das Klinikum in der Rahel-Straus-Straße. Noch einmal warf sie zwei Groschen in den Automatenschlitz, und diesmal hatten sie Glück: Leo Mahler war mit gebrochener Schulter und Verdacht auf Milzriss am Vorabend dort eingeliefert worden.
    »Ihr Vater liegt auf der Inneren, Zimmer 23, dritter Stock«, sagte die Männerstimme.
    »Vielen Dank«, sagte Chris.
    Das Wort Vater schien die in ihrem Hirn bestehende Kontaktsperrezur Außenwelt schlagartig aufgehoben zu haben. Denn bevor sie den Hörer auf die Gabel zurücklegte, wiederholte sie es noch zweimal: Vater. Vater. Dabei zog ein breites Lächeln über ihr müdes Gesicht. Die imaginäre Plastikfolie, die es seit dem Morgen zu überspannen schien, war gerissen.
    ***
    Er war noch einmal eingenickt, kam aber gleich wieder zu sich, als Anette sich erhob.
    »Wie spät ist es?«, murmelte er ins Halbdunkel und sah ihr hinterher, wie sie ins Bad lief. Im Gegenlicht des Flurs zeichnete sich durch ihr weites T-Shirt die Silhouette ihrer rechten Brust ab.
    Sie hatten schon länger keinen Sex mehr gehabt. Wenn sie wollte, war er meist zu müde gewesen. Und als ihm dann danach war, hatte sie ihre Periode gehabt. Ahrens drehte sich unter dem dünnen Laken einmal schwerfällig wie eine verrostete alte Schiffsschraube, die nur mühsam in Gang kam, um die eigene Achse. Trotz der Musik, die aus dem Bad herüberschallte, hörte er unten im Flur das Telefon läuten.
    Nein, er wollte niemanden sprechen. Nach dem fünften Klingeln sprang der Anrufbeantworter an, und eine blechern klingende Frauenstimme sagte: »Hier spricht Dagmar Scharlow. Wenn du Lust und Zeit hast, ruf doch mal zurück.« Anschließend hinterließ sie ihre Nummer und legte auf. Das Gerät spulte surrend zurück und brachte sich mit einem mechanischen Klicken in Startposition.
    »Was will die denn?«, dachte er laut und stand auf, um hinunter in die Küche zu gehen und Kaffee aufzusetzen. Doch dann blieb er auf dem Treppenabsatz stehen. Jasmin saß in ihrem Zimmer auf dem Boden und hielt einen Gegenstand in der Hand, ein Lineal, das sie auf ihren vor ihr sitzenden Teddybären Paulchen gerichtet hielt, und sagte: »Hände hoch! Ich bin ein böser Bandit. Du musst machen, was ich sage. Sonst schieße ich dich tot!«
    Fassungslos sah er hinüber, als er aus dem Bad Anette rufen hörte: »Peter, kommst du bitte mal?«
    »Ja, ja, ich … ich komme«, antwortete er und tappte hinüber.
    Anette stand vor dem Spiegel und fixierte ihre Haare mit einem Reif.
    »Warst du das?«, sagte sie.
    »Was?«
    »Die Seifenschale!«, sagte sie mit geschlossenen Augen und wirbelte mit einem feinen Pinsel über ihr Gesicht. »An der hab ich unheimlich gehangen.«
    »Ja, sorry«, sagte er und starrte auf die auf den Kacheln liegenden Scherben.
    Anette öffnete die Augen, hielt in ihrer Bewegung inne und sagte: »Ist was? Du wirkst so komisch?«
    »Nein, schon gut«, sagte er und verließ das Bad. Die Tür zum Kinderzimmer war auf einmal verschlossen. Er trat bis auf wenige Zentimeter heran und lauschte auf mögliche Geräusche. Es war ein Flüstern zu vernehmen, hell, aber unverständlich. Offenbar stieß Jasmin noch immer Drohungen gegen Paulchen aus.
    Ein Gefühl der Schwäche überkam ihn. Er ging ins Schlafzimmer zurück. Im Halbdunkel ließ er sich aufs Bett fallen und schloss die Augen. Im nächsten Moment fing er fürchterlich an zu schwitzen. Sein Gehirn schien seinen Körper fluten zu wollen. Im Nu war sein ganzer Körper klatschnass.
    »O Mann«, hauchte er schwer atmend und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und betrachtete die feucht glänzende Innenseite.
    Wahrscheinlich war Dagmar Scharlow aus dem Krankenhaus entlassen worden, lag zu Hause im Bett, langweilte sich und rief wahllos Leute an. Ebenso wahrscheinlich war, dass sie ihn im Fernsehen gesehen hatte. Doch wer hatte das eigentlich nicht? Wo auch immer er in den nächsten Wochen auftauchte, würde man ihn darauf ansprechen. Beim Fleischer, auf der Bank, imSupermarkt und in der Schule, wenn er Jasmin abholte. Überall. Alle hatten ihn gesehen. Alle. Die ganze Nation. Wäre ich verdammt noch mal bloß wie geplant ins Emsland gefahren!, dachte er. Ich hätte mich wie alle anderen vor den Fernseher setzen und mich mit einem kühlen Bier in der Hand über die Kollegen aufregen können. Doch ich musste ja unbedingt

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