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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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abgehaltene Feierstunde ein.
    »Phantastisch, echt! Ich hab die Nummer von Rösners Schwester in Gladbeck. Und wenn die auspackt, dann aber hallo!«, frohlockte er und gestattete sich einen verstohlenen Blick auf ihre vollkommenen Brüste. Mit der Tatsache, dass er obendrein eine Verbindung zur ehemaligen Leiterin des Kindergartens in der Tunnelstraße in Gladbeck, in den Rösner einst gegangen war, hergestellt hatte, würde er sie später überraschen.
    Dabei hätte er ebenso gut über Fliegenklatschen oder Klappsitze in Regionalzügen reden können. Denn abgesehen von Sylvia, die, als könnte sie seine Gedanken lesen, wie absichtslos den obersten Knopf ihres Stretchkleides öffnete, interessierte sich in diesen Minuten und in diesen Räumen keine Menschenseele für das, was er innerhalb der letzten Stunde in mühevoller journalistischer Kleinarbeit herausgefunden hatte. Bertram hatte angestrengt nach dem Mond Ausschau gehalten und an Wegen dorthin gearbeitet, während der Rest der Redaktion bereits, und ohne ihm ein Sterbenswörtchen davon zu sagen, in Richtung Mars unterwegs war.
    Im Hochgefühl seiner spitzenmäßig angelaufenen, also total RTL-mäßigen Recherche griff Bertram nach Sylvias Hand und sagte: »Wie wär’s mit einem Essen heute Abend? Nur wir zwei? In einem schicken Lokal deiner Wahl?«
    Sekundenlang tat sich überhaupt nichts in ihrem wie versteinert wirkenden Antlitz. Und kurz glaubte Bertram, der immer noch ihre Hand hielt, die wie eine Kugel Eis in seiner zu schmelzen schien, sie fange jeden Moment an zu lachen. Doch dann kam plötzlich wieder Bewegung in die wundervolle Architektur ihres Gesichts, und sie antwortete süffisant: »Wenn deine Frau dich lässt, um halb neun im Carlo am Brüsseler Platz!« Dabei machte sie den Knopf an ihrem Kleid mit geradezu feierlicher Langsamkeit wieder zu und ging grinsend zurück an ihren Schreibtisch.
    Offenbar hatte sie die ganze Zeit über nur auf ein Zeichen von ihm gewartet. Und wahrscheinlich wäre Bertrams Glück indiesen Sekunden vollkommen gewesen, wären da nicht Amina und Paul und Sirvan gewesen, und die Tatsache, dass er Sirvan für den Abend ein längeres Telefonat zugesagt hatte. Wie es aussah, war er im Begriff, die Frau, mit welcher er seit Wochen seine zukünftige Frau und Mutter seines Kindes betrog, zu betrügen.
    Bertram schob sich den Zeigefinger ins rechte Ohr, ließ ihn ein paar Sekunden lang nachdenklich darin kreiseln und wirbelte winzige Hautpartikel hervor, die wie Blütenpollen auf den Rand der silbergrauen Kunststoffunterlage seines Schreibtisches herabrieselten. Er zog den Finger aus seinem Gehörgang, sah ihn kurz prüfend an und fixierte die bräunlichen Hautplättchen, die auch die vor ihm ausgebreiteten Tickermeldungen wie Fliegenschiss gesprenkelt hatten. Dann griff er zum Telefonhörer und wählte die Nummer des Kinderkrankenhauses.
    »Bertram, guten Morgen. Ich wollte fragen, wie es meinem Sohn geht. Verbinden Sie mich bitte mit der Frühchenstation«, sagte er und faltete in Gedanken die Hände zum Gebet.
    »Moment«, sagte die Dame in der Telefonzentrale. Dann wurde er in die Warteschleife geschickt. Schließlich wurde er durchgestellt, und eine Frauenstimme sagte: »Katja Andraes, E 2?«
    ***
    Sie bogen nach rechts auf die Trankgasse ab, folgten den Schildern Richtung Dom und wechselten schließlich auf die Komödienstraße.
    Die Kölner Kollegen hatten es tatsächlich fertiggebracht, das Fluchtfahrzeug aus den Augen zu verlieren. Kirchner drehte die Scheibe ganz herunter und spuckte vor Wut über diese Schlamperei einen hellen Klumpen aus dem Fenster aufs graue Pflaster. Nach ein paar Minuten zog Andresen den Wagen nach links in Richtung Albertusstraße, und sie stießen nach 200 Metern auf die Ehrenstraße.
    Vor ihnen schob sich eine buntscheckige Welle von Passantenim grellen Sonnenlicht über die Einkaufsmeile. Grün-weiß gestreifte Markisen warfen Schatten auf die glühenden Gehsteige. Da und dort standen Wasserschalen für die unter der Hitze leidenden Vierbeiner vor den Geschäften. Wohin man blickte, sah man verschwitzte Gesichter, alte Männer, die Pepitahüte trugen, Frauen, die ihre pochenden Handgelenke in die umlagerten Brünnchen tauchten. Über einem Bratwurststand stieg eine zittrige graue Rauchfahne in den stahlblauen Kölner Mittagshimmel auf, aus den Boutiquen lärmte Musik.
    Immer wieder mussten sie anhalten, weil Leute ihnen einfach vor die Kühlerhaube liefen. Plötzlich rief Kirchner mit

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