Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)
den Boden fallen. Dann zog er die schwere Haustür auf.
Sie saß auf der obersten Stufe des zur Straße hin abfallenden Aufgangs, und ihre Konturen verschwammen im Gleißen der Straße. Ihre Haare schienen in Flammen zu stehen. »Seit wann sitzt du hier?«, fragte Adam und blickte auf sie hinunter.
»Seit Stunden, ich weiß nicht.« Sie strich sich mit der flachen Hand übers Gesicht. Sie klang resigniert.
»Was willst du noch?«, sagte er.
»Mit dir reden. Über uns«, sagte sie.
»Das hättest du dir früher überlegen müssen«, antwortete er und drängte sich an ihr vorbei.
»Adam! Wo willst du hin?«, rief sie, erhob sich und lief ihm nach.
»Lass mich bitte!«, antwortete er und lief, ohne sich umzudrehen, weiter. Da packte sie ihn an der Schulter, riss ihn zu sich herum und presste ihm einen Kuss auf den Mund. Nur mit Mühe gelang es ihm, sie wieder abzuschütteln. »Das hättest du nicht machen sollen«, sagte er. Ein Fahrradfahrer fuhr vorbei und guckte interessiert.
»Glotz nich so, Blödmann!«, rief Martha dem Mann hinterher.
»Lass ihn«, sagte Adam und wischte sich über den Mund. Dann sagte er: »Ich hab mich verändert, Martha. Ich weiß selbst nicht, wie und weshalb. Aber es ist so. Als wir uns trafen, war ich jemand anders. Ich kam aus Polen, voller Ideen und Träume. Doch das ist drei Jahre her, verstehst du das? Zuerst habe ich gehofft, dass alles wieder gut wird mit uns. Dass du zurückkommst zu mir. Doch jetzt nicht mehr, jetzt ist es anders. Es ist zu viel passiert. Ich kann nicht mehr.«
»Aber wieso denn?«, rief sie und strich sich die Haare aus der Stirn. »Ich hab mich einfach nur geirrt! Adam! Das weiß ich jetzt! Adam, hörst du?«
»Zu spät«, sagte er und sah sie mitleidig an.
»Nein, ist es nicht!«
»Doch, Martha.«
»Nein, das stimmt nicht«, protestierte sie und versuchte, ihn wieder an sich zu ziehen. »Ich liebe dich, ich weiß es! Und ich spüre es hier drin.« Dabei schlug sie sich mit der einen Hand gegen die Brust, während sie ihn mit der anderen festhielt.
»Hör auf! Das ist peinlich«, sagte er und schob sie weg. »Es hat keinen Sinn mehr.«
Widerwillig ließ sie von ihm ab. Funkelte ihn aus kalten blauen Augen böse an.
»Schau mich nicht so an«, sagte er. »Wenn du ehrlich bist, weißt du, dass ich recht habe.«
»Hast du nicht«, erwiderte sie trotzig wie ein Kind.»Wie du meinst«, sagte er. »Aber lass mich jetzt bitte gehen.«
»Ich habe die ganze Nacht wach gelegen«, begann sie, als hätte sie seine Bitte überhaupt nicht gehört, »weil ich nicht aufhören konnte, mir vorzustellen, in was für einer Gefahr du die ganze Zeit warst. Ich hatte plötzlich solche Angst. Alles war so deutlich, so wirklich. Und nachdem du gestern einfach aufgelegt hast, konnte ich nicht anders als herkommen. Ich musste sehen, dass es dir gutgeht. Dass alles in Ordnung ist mit dir.«
Eine Handvoll auffliegender Löwenzahnsamen schwebte in Adams Blickfeld und erregte seine Aufmerksamkeit, segelte heran in der sengend heißen Vormittagsluft und erzeugte einen kurzen, betörenden Wirbel. »Was? Was hast du gesagt?«
»Dass ich Angst um dich hatte, fürchterliche Angst!«, sagte sie.
»Das tut mir leid«, antwortete er und wandte sich ab. Wieder packte sie seinen Arm und schrie: »Du darfst nicht gehen, Adam, bitte! Verlass mich nicht, Adaaaam!«
»Martha«, sagte er und versuchte, sich aus ihrem Griff zu befreien, »lass mich los!« Doch sie zerrte immer fester, packte sein Hemd und riss daran. Da versetzte er ihr einen so heftigen Stoß, dass sie das Gleichgewicht verlor, taumelte und rückwärts zu Boden fiel.
Adam lief los, rannte mit dem Koffer, der schwer an seinem Arm zog, die baumbeschattete Allee hinunter, hastete mit raumgreifenden Schritten davon, ohne sich noch einmal umzudrehen oder auf ihre sich rasch entfernenden Rufe zu achten.
20
BILD Köln
Geiselgangster Rösner: »Wir verhandeln jetzt nur noch mit dem Papst …« Fast zwei Stunden stand der Flucht-BMW in der Fußgängerzone.
10 Uhr: Der silber-metallic-farbene BMW der Gladbecker Geiselgangster fährt von der Autobahn ab und Richtung Kölner City. Hinten im Fond zwei Frauen, die um ihr Leben zittern. Faustpfand der beiden Mörder, die zu allem entschlossen sind. Während der BMW durch die Stadt irrt, werden sämtliche Sonderkräfte der Polizei zum Präsidium beordert, Freizeiten und Pausen gestrichen. Großalarm. Der BMW fährt mittlerweile sehr langsam in Richtung WDR. Dann in die
Weitere Kostenlose Bücher