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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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Gletscher in einen Fjord hatte sich die milchige Flüssigkeit auf dem blau gefliesten Boden ausgebreitet. Dann hatte sie zu husten und zu würgen begonnen, sich langsam aufgerichtet und zitternd, auf Knien und über deren Rand gebeugt, sich mehrmals in die Badewanne erbrochen. Nachdem Chris das blasse, feuchtglänzende Gesicht ihrer Mutter mit einem Papiertuch gesäubert hatte, hatte sie, ohne dass Chris sie danach gefragt hatte, mit belegter Stimme gesagt: »Ich wollte nur ein wenig Ruhe haben, das ist alles. Okay?«
    An der nächsten Straßenecke blieb sie stehen und drückte hastigdrei der blauen Dragees aus dem Blister und schob sie sich in den Mund. Dann schob sie die Packung in ihre Handtasche zurück, griff nach dem Pfefferspray und lief in Richtung Bredenstraße.
    »Sie müssen auf die Angst zugehen! Jedes Ausweichen oder Zurückschrecken macht sie nur größer in Ihrem Kopf«, hatte Dr. Brunner zu ihr gesagt, und Chris hatte ihre Worte auf sich wirken lassen, demütig und bereit, sie in die Tat umzusetzen.
    Sie bog in eine Seitenstraße ab und nahm die Schachtel mit den Baldriandragees wieder heraus, weil sie noch immer keinerlei Wirkung verspürte.
    Noch einmal drückte sie drei Dragees aus dem Blister und schob sie sich auf einmal in den Mund. Dabei schloss sie kurz die Augen.
    Mit dem sie entfernt an Feldsalat erinnernden Geschmack der Tabletten auf der Zunge musste Chris plötzlich an Klaus denken. Wie ein Deserteur hatte er sich ihr gegenüber aus seiner Verantwortung gestohlen, er, der immer wieder versprochen hatte, sie niemals im Stich zu lassen.
    In der nächsten Sekunde verwarf sie die Gedanken an ihn auch schon wieder, gefangen im Orbit ihrer Angst, in dem sie kreiste und kreiste, als sei sie von irgendwelchen Göttern oder höheren Mächten dazu verurteilt worden, ihn nie mehr zu verlassen. Auch wenn sie ganz genau wusste, dass niemand anders als sie selbst immer neu das Ticket für ihre Geisterbahnfahrten löste.

5
    dpa – Basisdienst, Hamburg
    Kriminalität/Geiselnahme
Polizei will Forderungen der Gangster erfüllen
    Gladbeck (dpa) – Die Polizei will die Forderungen der beiden Geiselnehmer in der Filiale der Deutschen Bank in Gladbeck-Rentfort nach 300

000 Mark in bar sowie einem Fluchtwagen und drei Paar Handschellen erfüllen, »um das Leben der Geiseln nicht zu gefährden«.
    Die beiden mit Maschinenpistolen bewaffneten Männer haben einen 34-jährigen Kassierer und eine 23-jährige Kundenberaterin seit dem Morgen in ihrer Gewalt.
    Einer der beiden Gangster ist inzwischen von der Polizei identifiziert worden. Es handelt sich um einen 31 Jahre alten »Schwerstkriminellen« aus Gladbeck, der vor 18 Monaten aus seinem Hafturlaub nicht wieder in die JVA Essen zurückgekehrt war. Der Mann hatte wegen »verschiedener schwerer krimineller Delikte quer durch das Strafgesetzbuch«, so die Polizei, schon elf Jahre seiner insgesamt 13-jährigen Haftstrafe verbüßt. Sein Komplize ist noch nicht identifiziert.

Der Alte hatte ziemlich Schlagseite, als er sich umdrehte und Marc schlurfend und breit grinsend entgegenkam. Die Skoliose, an welcher er seit Jahren zusätzlich zu seiner Alzheimererkrankung litt, hatte seine Wirbelsäule mit der Zeit in eine Art spiegelverkehrtes, großes »S« verformt, so dass Gustav Steiner wirkte, als ziehe (vom Oberarm abwärts) ein imaginärer, bis zum Rand mit Sand gefüllter Eimer seine rechte Schulter permanent nach unten.
    »Hallo!«, rief der Alte und reckte seine große fleischige Hand in die Höhe. Dabei verharrte er in einer Stellung, als lausche er dem Gesang eines Vogels oder als hätte er soeben das unheilverkündende Zerbrechen eines Zweiges im nahen Wäldchen an der hinterm Haus vorbeifließenden Kinzig vernommen, wie der Tod es manchmal verursacht, wenn er aus dem Dickicht hervortritt und nach den Lebenden greift. Dann lief er weiter auf Marc zu, baute sich vor ihm auf und rief: »Die dürfen mich nicht mitnehmen!«
    Von der Sonne wie von einem Scheinwerfer angestrahlt, traten die zahlreichen Leberflecke auf seiner glänzenden Stirn noch deutlicher als sonst hervor. Und das in der Regel starre, dabei stets leicht vorspringende Kinn, das ihm in gewissen Momenten etwas Eigensinniges und Verbissenes verlieh, schien nun lautlos zu beben. So, als sammle sich darin der Schmerz über den Verlust, den er kürzlich hatte hinnehmen müssen.
    Eine Woche zuvor war sein Freund, ein gewisser Wandrey, eines Morgens auf die vielbefahrene Philippsruher Allee gelaufen

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