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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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der Hand. Das konnte er durch die Windschutzscheibe erkennen. »Kommt her, ihr feigen Schweine!«
    Gegenüber am Busbahnhof standen zwei Busse mit offenen Türen, und immer wieder stiegen Leute in den Omnibus mit der Nummer 53 ein. Über dem Platz lag eine unwirkliche Stille.Zeitgleich fuhren die Freundinnen Ines Voitle und Silke Bischoff mit der Straßenbahn der Linie 1 in Richtung Busbahnhof Huckelriede. Dort würden sie, wie jeden Tag, in den Bus der Linie 53 umsteigen. Von der Geiselnahme, über die seit über dreißig Stunden im Radio berichtet wurde, hatten die beiden nichts mitbekommen.

    Rösner verspürte Schmerzen in den Beinen und im Rücken vom langen Sitzen am Steuer. Der von Steinwald zugesagte Fluchtwagen kam nicht. Und so fasste er mit Blick auf den Bus einen Entschluss. Natürlich. Er stand ihm klar vor Augen. Der Plan. Und wie alles ablaufen würde.
    Er würde sich ohne Worte bei den Bullen Gehör verschaffen. Er würde sie zwingen zu begreifen. Ihnen die Augen öffnen. Es ihnen allen zeigen.
    ***
    Aufgrund einer partiellen Schädigung der Darmschleimhaut und der daraus resultierenden Sepsis war es zu einem Darmdurchbruch und einer Bauchfellentzündung gekommen. Aus diesem Grund hatten die Ärzte beschlossen, Paul trotz aller damit verbundenen Risiken sofort zu operieren. Im Lauf der Operation wurden ihm Teile des erkrankten Darms entnommen. Zudem wurde ein künstlicher Darmausgang, ein Enterostoma, angelegt. Acht Tag später, so die Hoffnung des operierenden Arztes, würde man damit beginnen können, den zum After führenden Schenkel des künstlichen Darmausgangs mit Traubenzuckerlösung zu spülen. Sofern keine Komplikationen auftraten. Doch noch bestand weiter erhöhte Alarmbereitschaft. Das Wort »lebensbedrohlich« nahm den Eltern gegenüber noch niemand in den Mund.
    ***
    Nachdem er eine Zeitlang durch die Bremer Stadtteile geirrt war, lenkte Peter Ahrens seinen Mercedes zum Huckelrieder Busbahnhof. Auf seinem Weg dorthin begleitete ihn das Gerede des RB-1-Moderators, dem die ganze dreiste Geilheit anzuhören war, mit der er seine »Schalten«, wie er die wiederholten Direktschaltungen zu dem Huckelrieder Gemüseladen, vor dem sich die Geiselgangster aufhielten, selbstherrlich zelebrierte.
    Immer wieder wurde der Radioempfang unterbrochen, minutenlang waren nur Knistern und Rauschen zu hören. Als er ausstieg, sah er, dass jemand die Dachantenne abgerissen hatte.
    Zwei Stunden hatte er in dem kühlen Büro seines Freundes Heiner Werkler in der Östlichen Vorstadt zugebracht und mit ihm die Bildauswahl besprochen, aus der eine Postkartenserie mit Tiermotiven entstehen sollte. Werkler hatte bereits einen Band mit Stadtansichten von ihm veröffentlicht und ihm das Treffen regelrecht aufgenötigt, weil er noch am selben Abend für sechs Wochen nach Amerika flog und die Serie in der Nacht in Druck gehen sollte.
    Bereits von weitem sah Ahrens den BMW. Er drosselte die Geschwindigkeit und fuhr im Schritttempo auf den neben dem Bus der Linie 53 auf dem Gelände der Bremer Straßenbahn AG parkenden Wagen zu, stoppte kurz und manövrierte seinen Mercedes auf den Bordstein der gegenüberliegenden Seite.
    Er nahm die Canon F-1 Highspeed, hob sie vors Gesicht und richtete sie auf den BMW. Und dann drückte er ab. Der Power-Winder schnurrte. Er blickte durch den Servosucher, in welchem sich Glück, Schrecken, Erlösung und Wahn drängten. Das Ganze wurde untermalt vom Zischeln des Motors, das ihm das Gefühl gab, er schneide wie ein Metzger, der die Salami gegen das rotierende Vollstahlmesser seiner Schneidemaschine drückte, kleine Scheiben von der Wirklichkeit ab. Er liebte diese Jagd nach Bildern so, wie er früher die Jagd nach persönlichen Bestzeiten geliebt hatte.
    Bilder, Bilder, Bilder. Welches Bild würde er wohl als letztes sehen, bevor er eines Tages für immer die Augen schloss? Das Gesicht seiner dann erwachsenen Tochter Jasmin, die sich freundlich lächelnd über ihn und sein Sterbebett beugte? Die Risse in einer Zimmerdecke, die unter seinem Starren zu Flussarmen wurden und in ein Delta mündeten? Oder ähnlich wie das Kaninchen, das im Augenblick seines Todes eine erhobene Axt oder den aufgerissenen Fang eines Fuchses sah, Schlafes Bruder, der ihn herüberzog in seine Welt der Schatten?
    »Ich bin nicht der Typ, der Bilder stellt. Ich gehe lieber irgendwohin, gucke, was ich sehe, und mache dann meine Bilder.« Mit diesen Worten hatte er seiner Anette einmal zu erklären versucht, wie er

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