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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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nahm, zielten alle anderen Gedächtniserhaltungspunkte weit an der geistigen Konstitution des Alten und seinen Möglichkeiten vorbei.
    Notizen machte er schon lange keine mehr, und an eine wie auch immer geartete eigenständige Organisation seines Alltags war nicht zu denken. Von sogenannten emotionalen Assoziationen ganz zu schweigen. Nein, der Großvater irrlichterte längst uneinholbar entrückt durch die fremden, unermesslichen Weiten seiner Welt- und Selbstvergessenheit, um die Marc ihn manchmal beneidete, wenn er ihm eine einfache Frage stellte und der Alte, begleitet von einem kaum merklichen Schütteln des Kopfes, lächelte wie Klekih-petra in »Winnetou 1« im Moment seines Todes, als er sich in den Schuss von Rattler wirft, der Winnetou töten soll, wodurch dem Häuptling der Apachen das Leben rettet. Als Junge hatte Marc die Winnetou-Verfilmungen mit Pierre Brice geliebt und bitterlich geweint, als der edle Apachenhäuptling im dritten Teil starb, weil er sich in die Schussbahn derKugel warf, die der Bandit Rollins für Old Shatterhand bestimmt hatte.
    Hanau ächzte unter der anhaltenden Hitze. Die Betreiber der beiden konkurrierenden Eisdielen am Freiheitsplatz verbuchten Rekordumsätze, und überall vor den Geschäften stellten deren Besitzer mit Wasser gefüllte Schalen für streunende Hunde auf. Das atlantische Hoch, das, von der Sahara herkommend, seit Tagen gesundheitsgefährdende Temperaturen an der Schwelle zur 40-Grad-Marke nach Europa führte, schien über der in den Abendnachrichten gezeigten Deutschland-Wetterkarte regelrecht festgenagelt zu sein. Von Wetterveränderung fürs Erste keine Spur.
    Zum offenen Küchenfenster drang das trockene Knacken der knorrigen Stämme und Äste der beiden Kastanien herein, die dem Haus mit der Nummer 10 tagsüber kühlenden Schatten spendeten, nachts jedoch die in den langen Sonnenstunden gespeicherte Hitze wie durch unsichtbare Schläuche in die weiten Korridore der Wohnung pumpten.
    Am Morgen war Marc schweißgebadet und vollkommen zerschlagen aus wirren Träumen erwacht. Nun, zwölf Stunden später, saß er seinem Vater gegenüber, der, mit seinen grauen Shorts und einem weißen Feinrippunterhemd bekleidet, am Küchentisch saß und eine Senfgurke in kleine Scheiben schnitt, um sie auf seinem mit Bierschinken belegten Schwarzbrot zu drapieren.
    Noch immer hatte Marc nicht die leiseste Ahnung, wie er seinem Vater, trotz der polizeilich registrierten Verlustanzeige, die in seinem Zimmer auf dem Tisch lag, das Verschwinden der KTM erklären sollte.
    Der Vater hatte die Maschine aus dem wenigen Ersparten finanziert, das am Monatsende übrigblieb. Das mochten gerade mal ein-, allerhöchstens zweihundert Mark sein. Monatelang musste er etwas zur Finanzierung des Mopeds zur Seite gelegt haben. Eine Investition, die seine Möglichkeiten bei weitemüberstieg und sich alleine damit erklären ließ, dass die Liebe zu seinem Sohn offenbar größer war als die Angst, eines Tages der laufenden Kosten nicht mehr Herr zu werden. Und so verbannte Marc die Ausrede, die er sich zurechtgelegt hatte, um die wahren und weitaus dramatischeren Umstände ihres Verschwindens zu verschleiern, wie die Erinnerung an einen Alptraum in die hinterste Region seines Schädels und trank einen Schluck Tee.
    »Wenn doch endlich Regen käme«, sagte der Vater, blickte kurz missmutig von seinem Teller auf und schob sich ein Stück seines in kleine, nahezu gleich große Rechtecke zerteilten Wurstbrots in den Mund. Auf Höhe der Brust war sein Unterhemd bereits durchgeschwitzt. »Den Bauern geht das ganze Obst kaputt.«
    »Ja«, murmelte Marc, »Regen wäre gut.« Er musste an Ceylan denken und daran, wie sie das erste Mal durch das eingedrückte Fenster in den dunklen Schlosskeller eingestiegen waren und sich dort, zwischen alten Umzugskartons, Regalen und Autoreifen auf der staubigen Matratze in den Armen gelegen und einander lange im Schein der Kerzen, die sie mitgebracht hatte, streichelten und schließlich küssten.
    Ceylan lag die ganze Zeit über mit geschlossenen Augen da und gab sich zitternd seinen Berührungen hin, manchmal stöhnte sie. Später tranken sie von dem Wein, den er bei Tengelmann besorgt hatte, und hörten Musik. Er hatte sein kleines Sony-Transistorradio mitgebracht und war sich vorgekommen wie im »Tunnel of Love«, von dem Mark Knopfler sang. Ceylans kaum verhüllter Körper hatte ihn immer stärker erregt, bis er sein hartes pochendes Glied irgendwann ungestüm gegen

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