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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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er die Gabel am Rand des Tellers ab, fuhr sich gemächlich mit dem Rücken der linken Hand über die glänzenden Lippen und angelte mit den Worten »Darf ich?« nach der zwischen ihnen auf dem Tisch liegenden Zigarettenschachtel.
    »Von mir aus.« Brigitte schob ihm das Feuerzeug hin. Nachdem er sich eine Zigarette angesteckt und zwei, drei hastige Züge genommen hatte, lehnte er sich zurück, blies eine kleine Rauchfahne über den Tisch und sagte: »Seit ein paar Wochen, oder so.« Und dann machte er etwas völlig Überraschendes. Er legte den Kopf in den Nacken, zog demonstrativ ein paarmal an der Zigarette und entließ seinem geöffneten Mund eine Serie konturscharfer, an die Decke segelnder Rauchringe, richtete sich wieder auf und sagte mit Blick auf die sich bereits auflösenden Gebilde: »Gut, was?«
    »Ich erwarte, dass Sie die Garage bis morgen Abend geräumt haben«, antwortete Brigitte unbeeindruckt. »Anderenfalls sehe ich mich gezwungen, die Polizei zu holen.«
    »Aber wieso denn? Ich stör Sie doch gar nicht! Sie sind doch ganz alleine in dem großen Haus. Wieso eigentlich? Haben Sie denn keinen Mann, oder so?«
    »Morgen Abend ist die Garage geräumt«, sagte Brigitte.
    »Ach kommen Sie, nur noch ein paar Tage. Bitte! Bis ich was anderes gefunden habe.«
    Sie blickte ihn an. »Okay. Montag ist mein letztes Angebot. Dann sind Sie verschwunden. Bis dahin bleiben Ihnen sechs volle Tage. Mehr als genug. In sieben wurde die Welt erschaffen. Dasollte es Ihnen doch wohl möglich sein, Ihre spärliche Habe zusammenzuklauben und zu verschwinden. Anderenfalls wird die Staatsmacht dafür sorgen, dass Sie Ihre Siebensachen packen.«
    »Mann, Sie sind vielleicht hart!«, rief er und zog die buschigen Augenbrauen hoch. Auf der Wurzel seiner Hakennase, die ihr besonders gut gefiel, hatte sich Schweiß gesammelt, der im Halbdunkel der Küche geheimnisvoll glänzte. Überhaupt wirkte er in dieser Beleuchtung wie ein römischer Gladiator, angefangen bei seinen breiten Schultern, die unter dem umhangähnlichen Pyjama eindrucksvoll hervorstachen, und den komischen offenen Sandalen, in denen seine riesigen Füße steckten. Und nicht zuletzt wegen seiner dunklen krausen Haare, die er zu einem Zopf zusammengebunden hatte und die ihm etwas Edles verliehen. Fehlt bloß noch, dass er ein Schwert unter seinem Umhang hervorzieht, dachte Brigitte. »Tja, so bin ich eben«, sagte sie.
    ***
    »Jetzt sieh dir das an, verdammt!«, sagte Kirchner und blickte ärgerlich an sich herunter. Auf Brusthöhe seines meerblauen Venti-Fit-Halbarm-Hemdes zeigten sich zwei ineinanderlaufende, jeweils handtellergroße Schweißflecke, die ihn spontan an die wolkigen Gebilde auf den Rohrschachtest-Karten erinnerten, die er im Zuge seines psychologischen Eignungstests als junger Kommissarsanwärter interpretieren sollte.
    Missmutig legte er die Gabel am Rand seines Tellers ab, auf dem in einer teefarbenen Öllache, zwischen angeschmorten Knoblauchschnipseln und winzigen Frühlingszwiebelhalbmonden, rostbraun gebratene Tintenfischstücke lagen, und suchte Barbaras Blick.
    Nachdem sie geduscht hatten, waren sie in die Münsterstraße gefahren, wo sich das Bella Napoli, Kirchners Lieblingsitaliener, befand. Am Mittag hatte er telefonisch einen Tisch für sie auf der kleinen, von rotschäumenden Oleanderbüschen gesäumtenTerrasse reserviert. Doch nun, durchgeschwitzt und müde, wäre er am liebsten auf der Stelle wieder aus dem Lokal gelaufen. Der Vernaccia di San Gimignano, von dem er an heißen Tagen wie diesen für gewöhnlich nicht genug bekommen konnte, erschien ihm heute seifig und fad. Und der Tintenfisch, den er – kräftig in Knoblauch angebraten – regelmäßig als Vorspeise aß, ehe er sich mit einer Scaloppina Valdostana verwöhnte, war zäh wie Gummi. Kirchner warf die Stoffserviette neben dem Teller auf den Tisch.
    »Was ist denn mit dir?«, sagte Barbara, zog die Stirn kraus und tupfte mit ihrer Serviette imaginäre Thunfischcremespuren des köstlichen Vitello tonnato, das sie soeben verzehrt hatte, aus den Mundwinkeln. »Na komm, sag schon.«
    Sie angelte nach seiner Hand, umschloss sie zärtlich und legte den Kopf schräg. Doch Kirchner, der in diesen Sekunden den Charme und die erotische Ausstrahlung eines Fahrkartenkontrolleurs verströmte, bestellte die schweißtreibende Pasta wieder ab und rührte, nachdem er auch auf das ansonsten so geliebte Tartufo con Amaretto verzichtete, versunken in seinem flüchtig mit einem halben Löffel

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