Ein deutscher Wandersommer
zu lange dauert; Cleo und ich müssen nämlich weiter.«
»Nein, nein, bin gleich zurück«, versicherte mir Peter, »und bringe Ihnen eine Wasserbüffelsalami mit, die müssen Sie unbedingt probieren!«
Cleo lief beim Stichwort Salami das Wasser im Mund zusammen, und erwartungsvoll schaute sie zwischen dem Bauern und mir hin und her. Peter sprang in seinen Wagen und bretterte davon. Es dauerte wirklich nur wenige Minuten, da kam er nicht nur mit seiner Frau, sondern der ganzen Familie im Schlepptau zurück. Stolz überreichte er mir die viel gepriesene Büffelsalami, schenkte mir ein Horn seines ersten selbst gezüchteten und selbst geschlachteten Wasserbüffels und eine Flasche selbst gebrannten Schnaps aus Rumänien. Er fuhr, wie er mir bei der Gelegenheit erzählte, jedes Jahr in die alte Heimat. Und dannmussten natürlich Fotos gemacht werden, und ich musste irgendwo mein Autogramm hinterlassen.
Peter hatte diese südländische Herzlichkeit, Freundlichkeit und Offenheit, wie ich sie in dieser Form nur aus Rumänien oder vom Balkan kenne. Osteuropäer sind ja nicht sonderlich beliebt bei uns, als würden sie sich alle zu kriminellen Banden zusammenschließen, die stehlen und betrügen oder junge Mädchen als Prostituierte nach Deutschland schmuggeln. Ich habe in Rumänien ganz andere Erfahrungen gemacht. Als ich im Karpatenbogen Braunbären und Wölfe filmte, überhäuften die Einheimischen mich mit kleinen Aufmerksamkeiten und Geschenken, überall wurde ich eingeladen, dieses oder jenes zu probieren, ein Schnäpschen zu trinken; und auch an Cita, die mich damals begleitete, wurde immer gedacht. Stets erhielt sie ein Schüsselchen mit Wasser oder Milch, noch bevor ich darum bitten konnte.
Peters Herzlichkeit wurde durch sein charmantes, grammatisch manchmal nicht ganz korrektes Deutsch noch unterstrichen. Durch seinen Akzent klang alles irgendwie lieblich und freundlicher, als wenn jemand in barschem Bayerisch oder Hessisch redet. Peter, der sich – darauf ließ sein kugelrunder Bauch schließen – wohl selbst sehr gut von seinen Wasserbüffeln ernährt, ist ein Typ Mensch, bei dem ich ohne Bedenken für ein paar Tage meinen Rucksack samt meinem ganzen Bargeld unterstellen würde und sicher sein könnte, dass alles noch da wäre, wenn ich wiederkomme.
Die Wartburg
»Was für ein Anblick! Guck dir das an, Cleo!«, rief ich begeistert.
Vor uns ragte die Wartburg, seit 1999 Weltkulturerbe, über der Stadt Eisenach auf. Cleo aber hatte keinen Blick für die Burg, sondern schaute mich verwundert an und fragte sich wohl, warum mich dieser Steinhaufen so in Erregung versetzte. In der Tat verspürte ich ein aufgeregtes Kribbeln, denn mit der Wartburg sind für mich viele schöne Kindheitserinnerungen verbunden, zum Beispiel an den ersten Eselsritt meines Lebens. Damals war ich vielleicht fünf Jahre alt und besuchte mit meinen Eltern die Wartburg. Von meiner Heimatstadt Gotha war sie ja nur einen Katzensprung entfernt. Mein Esel hieß Lotte, und eine Lotte gibt es heute noch, aber natürlich nicht mehr die von damals. Die berühmten »Wartburg-Esel«, auf deren Rücken bis Mitte des 19.Jahrhunderts Wasser und Proviant den Berg hinaufgeschafft wurden, sind bereits seit dem 15.Jahrhundert nachweisbar.
Die Wartburg ist – zumindest für mich – nicht nur eine der schönsten Höhenburgen Deutschlands, sie liegt auch in einer herrlichen Umgebung. Sie ist umrahmt von lichten Wäldern, zwischen denen sich bizarre Felsformationen und düstere Schluchten finden, wie zum Beispiel die schaurige Drachenschlucht mit ihrer zum Teil nur siebzig Zentimeter breiten Klamm, die Landgrafenschlucht mit ihren steinernen Kaskaden oder die Elfengrotte.
Erbaut wurde die Wartburg von Graf Ludwig dem Springer, dem der Grund und Boden beziehungsweise das vierhundert Meter hohe, schroff abfallende Felsplateau, das er für den neuen Stammsitz seiner Familie auserkorenhatte, allerdings gar nicht gehörte. Der Begründer der Ludowinger, die bald zu den einflussreichsten Geschlechtern im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehören sollten, wusste sich aber zu helfen. Er ließ von seinen anderen Grundstücken säckeweise Erde herbeiholen und auf dem Felsplateau verteilen. Als es zur Gerichtsverhandlung bezüglich der Eigentumsrechte kam, rammten seine Ritter ihre Schwerter in den Boden und beschworen, dass diese Erde Eigentum ihres Herrn sei. Und damit war die Sache erledigt.
Die Wartburg ist nicht nur sehenswert, sondern auch sehr
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