Ein deutscher Wandersommer
hochgespült wird. Jetzt ist es halt extremer. Das heißt, selbst wenn man alle Kaligruben schließen würde, gäbe es hier, weit weg vom Meer, immer eine Fauna und Flora, die an einen bestimmten Salzgehalt im Boden gebunden ist. Und die Werra wird wohl bis in ewige Zeit einen höheren Salzgehalt haben als andere Flüsse.«
Ein Stück Indien mitten in Deutschland
Wenige Tage später machte Cleo eine faszinierendere Entdeckung. Während wir durch ein naturbelassenes Tal mit vielen kleinen Bächen, Sumpfwiesen, Erlenbrüchen und Birkenanflug hangabwärts wanderten, reckte Cleo die Nase und begann sich ganz komisch zu verhalten, als hätte sie Witterung von etwas bekommen, was sie noch nie vorher wahrgenommen hatte. Mit der Zeit kennt man als Hundeführer ja das Verhalten seines Hundes und merkt, ob da etwas Banales oder etwas ganz Außergewöhnliches ist. Jedenfalls verhielt sich Cleo recht seltsam. Ich folgte ihrem Blick und sah auf einer sumpfigen Wiese mit hohem Gras und jeder Menge Sumpfdotterblumen große schwarze Tiere stehen, die so überhaupt nicht nach Deutschland passten: indische Wasserbüffel. Okay, dachte ich mir, du bist heute schon ein bisschen weit gegangen, muss ein leichter Schwächeanfall sein, der dir da was vorgaukelt. Ich schloss die Augen, guckte dann noch einmal.
»Das glaube ich einfach nicht«, sagte ich zu Cleo. »Das sind doch nicht wirklich Wasserbüffel, oder?«
Das wollte ich nun genau wissen, und so marschierten Cleo und ich auf die Tiere zu. Cleo machte ein Riesenwauwau und brummte, worauf sich die ziemlich scheuen Tiere auf ihrer Weide immer weiter zurückzogen. Aus dem Augenwinkel sah ich einen recht stämmigen Bauern mit hochgekrempelten Ärmeln auf uns zukommen, dachte schon, oh, oh, das gibt jetzt Ärger, doch der Mann grüßte uns ganz freundlich. Er wollte wissen, woher wir kämen, wohin wir wollten, warum und weshalb, schöner Hund … Das Übliche also.
»Ich kenne Sie, ich habe Sie schon mal irgendwo gesehen«, meinte er schließlich.
»Das kann schon sein«, sagte ich daraufhin kurz, und dann: »Sie haben so einen schönen Akzent. Wo kommt der denn her?«
Der Bauer sprach weder wie ein Thüringer noch wie ein Bayer. Er hatte eher einen leicht slawischen Anklang.
»Ich bin Siebenbürger Sachse, Spätaussiedler, heiße übrigens Peter. Bin vor zwanzig Jahren hierher gekommen und –« Und auf einmal fiel bei ihm der Groschen. »Sie sind doch der Bärenmann, Ihren Namen weiß ich jetzt nicht, aber Sie sind der Bärenmann, und das ist der Hund, der immer bei Ihnen ist.« Er wurde regelrecht euphorisch. »Dass ich das mal erleben kann – Sie persönlich kennenzulernen.«
»Na ja, irgendwo muss ich ja sein«, lachte ich lapidar, weil ich nicht über mich, sondern über die Wasserbüffel reden wollte. Daher klärte ich ihn auch nicht darüber auf, dass der Hund neben mir nicht Cita war, die er aus dem Fernsehen kannte.
»Aber Sie sind doch sonst immer in Alaska und in Kanada!«
Nachdem sich der Mann schließlich beruhigt hatte, sprachen wir über seine Wasserbüffel.
»Wie kommt es, dass Sie hier Wasserbüffel züchten?«, wollte ich wissen.
»Ja, das ist so. Fleckvieh, Schwarzbunte oder Holsteiner kann man hier nicht weiden lassen, weil die Wiesen zu sumpfig sind und zu wenig normales Weidegras haben. Da werden die gleich von Leberegeln befallen oder anderen Parasiten. Die Wasserbüffel sind viel robuster und widerstandsfähiger. Die haben kein Problem mit feuchten Wiesen, dem Wetter oder Leberegeln. Die sind genügsam undanspruchslos. Außerdem ist ihre Milch besonders gesund und das Fleisch fettarm. Das verkauf ich sehr gut, weil hier ja alles biologisch-dynamisch ist«, erklärte er mir und beschrieb mit seinem Arm einen weiten Bogen. »Meine Tiere sind immer draußen.«
Peter hatte sich auch deshalb für die Züchtung von Wasserbüffeln entschieden, weil sich die Tiere für eine extensive Haltung und die Landschaftspflege feuchter Grünland- und Moorstandorte eignen. Dieses Wissen hatte er von seinem Vater und seinem Großvater, die schon in Rumänien Wasserbüffel gezüchtet hatten.
Zwar stammten seine Tiere von weit her, doch er hatte ihnen allen deutsche Namen gegeben. Die Stiere hießen Franz und Fritz, die Kühe Paulinchen, Gerda und so weiter. Als ich mich verabschieden wollte, bat mich Peter, doch noch zu warten, bis er seine Frau geholt habe, denn er wünsche sich so sehr, dass sie mich kennenlernt.
»Na gut«, stimmte ich schmunzelnd zu, »wenn es nicht
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