Ein deutscher Wandersommer
sich wieder auf den Rückweg ans andere Ufer machen. Das kam mir sehr gelegen, denn das bot mir eine Mitfahrgelegenheit und ersparte mir, den weiten Weg zurückzuschwimmen.
Wieder auf brandenburgischer Seite, lud Wolfgang Pauli Cleo und mich ein, sein in mühevoller Kleinarbeit originalgetreu restauriertes Bauernhaus zu besichtigen. Kurz darauf standen wir vor einem wunderschönen Fachwerkhaus mit tief gezogenem Reetdach, umgeben von Schafweiden, Streuobstwiesen, Brombeerhecken, urigen Kopfweiden, einem Gemüse- und einem duftenden, bunten Blumengarten mit Dahlien, Sonnenblumen und vielen anderen Schönheiten. Herrlich. Wie aus Schöner Wohnen. Sieben Jahre hatten Herr Pauli und seine Frau in den Wiederaufbau dieses sogenannten Niederdeutschen Hallenhauses investiert und dabei auf historische und ökologische Baustoffe sowie moderne Umwelttechnik gesetzt. Ihre Bemühungen wurden mit mehreren Preisen gewürdigt, unter anderem dem »Brandenburgischen Förderpreis für Denkmalpflege«.
Dann zeigte mir Herr Pauli, wie es vor der Sanierung hier ausgesehen hatte. Mit offenem Mund betrachtete ich die Fotos: die Wände zum Teil eingestürzt, das Reetdach fast völlig verrottet, immense Schäden am Fachwerk, weder Strom- noch Wasseranschluss. 13 Jahre hatte das Haus leer gestanden, bevor die Paulis es 1996 kauften. In diesen Jahren hatte sich aller mögliche Müll angesammelt und war der Grund, der zu dem Haus gehörte, total verwildert. Wäre ich damals vor der Ruine gestanden, hätte ich keinen Cent dafür gegeben. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass daraus etwas derart Schönes entstehen kann. Und versucht hätte ich es schon gar nicht.
»Ich bin schwer beeindruckt«, gestand ich. »Es gehören ein unglaublicher Enthusiasmus und Wille dazu, so etwas anzugehen. Aber ihr habt euch hier euer Shangri-La geschaffen.«
»Na ja, weißt du«, meinte Wolfgang, »alles ganz toll, und wir sind mächtig stolz darauf, doch manchmal nennen wir es großes Gefängnis, weil wir nicht mehr wegkommen. Eigentlich wollte ich gern ein bisschen durch die Welt reisen, mir fremde Länder anschauen … aber jetzt sind wir mit dem Hof gebunden.«
Zum einen hatte die Renovierung eine Unmenge Geld verschlungen, zum anderen hat das Haus nun zwei Ferienwohnungen, und man kann die Gäste ja nicht sich selbst überlassen.
Plötzlich spitzte ich die Ohren. Was war das denn gerade für ein Geräusch gewesen?
»Das hörte sich an wie ein Laubfrosch«, sagte ich etwas zögernd, weil ich meinen Ohren nicht trauen wollte.
Der streng geschützte Winzling – er wird nur drei bis fünf Zentimeter groß und dreieinhalb bis sieben Gramm schwer – zählt in Deutschland zu den gefährdeten Amphibien. Entsprechend selten ist der als Wetterfrosch bekannte grüne Zwerg anzutreffen. Aus einer anderen Ecke des Gartens ertönte das Quaken eines weiteren Laubfroschs, und dann noch eines und noch eines.
»Ich fasse es nicht. Die sind so selten, und ihr habt hier gleich mehrere!«, rief ich erstaunt.
»Ja, ungefähr zweihundert«, schmunzelte Wolfgang.
Über alledem war es Abend geworden, und Wolfgang bot uns an, dass Cleo und ich unser Zelt in seinem Garten aufschlagen könnten.
»Nur, damit ihr es wisst«, fügte er hinzu, »wir haben zwei Katzen, und der Kater ist sehr selbstbewusst.«
»Cleo auch«, tat ich seinen Hinweis mit einem Schulterzucken ab.
Am nächsten Morgen, als Cleo und ich recht zeitig aus dem Zelt krochen, kam besagter Kater des Weges. Anstatt, wie es Katzen üblicherweise tun, sobald sie einen Hund sehen, kurz zu erstarren und einen Buckel zu machen,marschierte der Kater mit dick aufgeplustertem Schwanz und Rückenfell, was ihn fast doppelt so groß wirken ließ, auf Cleo zu, baute sich anderthalb Meter vor ihr auf, fauchte sie an und hieb mit der Tatze vor ihrer Schnauze in die Luft.
»Wau wau«, warnte Cleo, »ich bin ein Schweißhund. Ich lass mir das nicht bieten! Ts, von einer Katze!« – und machte ebenfalls einen auf dick.
Das imponierte dem Kater überhaupt nicht. Er machte einen kurzen Satz nach links, um an Cleos Seite zu kommen, die will noch ausweichen und nach ihm schnappen, ist aber zu langsam, und im nächsten Moment sitzt er ihr auf dem Rücken und haut ihr die Krallen um die Ohren. Ich dachte, ich hab ’ne Erscheinung, das kann doch nicht sein.
Für einen Moment war ich hin- und hergerissen – Fotografier ich das jetzt oder helfe ich meinem Hund? –, dann entschied ich mich für Letzteres. Ich ging auf den
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